Die Familie ohne Namen
mache!«
Lionel hielt es nicht für nothwendig, dieser Drohung die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, und fuhr unbeirrt fort:
»Möge Nicolas Sagamore niemals vergessen, daß ich ihm stets tief ergeben bin! Fiele er je in die Gefangenschaft der Sioux, der Oneidas, der Irokesen oder anderer Wilder, wäre er schon an den Marterpfahl gefesselt, so würde ich es sein, der ihn gegen jede Gewaltthat, gegen die Klauen der alten Weiber schützte, und nach seinem Tode würde ich es sein, der seine Axt und seine Friedenspfeife in sein Grab niederlegte.«
Meister Nick wollte Lionel nach Belieben schwatzen lassen, da er sich schon vorgenommen hatte, das Gespräch auf eine Art zu beendigen, von der Lionels Ohren noch lange Zeit die Spuren zeigen sollten.
So begnügte er sich denn zu antworten:
»Es handelt sich also darum, mich den Wünschen der Mahogannis geneigt zu machen?
– Ja, den Wünschen des Stammes.
– Nun gut, es sei darum. Wenn es nicht anders geht, werd’ ich dem Feste beiwohnen.
– Sie hätten es gar nicht abschlagen können, da ja das Blut der Sagamores in Ihren Adern fließt.
– Das Blut der Sagamores gemischt mit dem Blute eines Notars!« knurrte Meister Nick.
Darauf berührte Lionel den kitzlichsten Punkt der Sache.
»Einverstanden, sagte er, der große Häuptling wird der Feierlichkeit beiwohnen. Doch um sich dort in seinem Range entsprechender Erscheinung zu zeigen, wird es nöthig sein, daß er sich auf dem Schädeldache ein Büschel Haare nach oben hin in eine Spitze auslaufend ordnen läßt.
– Und warum?
– Aus Rücksicht auf die Ueberlieferungen…
– Was?… Die Ueberlieferungen verlangten, daß…
– Ja; und wenn der Chef der Mahogannis jemals auf dem Kriegspfade fiele, so muß ihn doch, als Zeichen des Sieges, ein Feind regelrecht skalpiren können.
– Richtig! antwortete Meister Nick. Es ist nothwendig, daß meine Feinde mich skalpiren können… Da faßt er dann wohl an jenem Haarschopf an?…
– Das ist Indianersitte, und kein Krieger würde von derselben abgehen. Jede andere Haartracht müßte die Kleidung beleidigen, welche Nicolas Sagamore am Tage der Feierlichkeit anlegen wird.
– Ach, ich werde mich schmücken mit…
– Die Leute arbeiten augenblicklich an diesem Feierkleide. Es wird prächtig ausfallen, das Wams aus Damhirschfell, die Mocassins aus Naturleder, der Mantel, den der Vorgänger Nicolas Sagamore’s trug, ohne die Bemalung des Gesichts zu rechnen…
– Das Gesicht wird dazu auch noch bemalt?
– Erst nachdem die berühmten Künstler des Stammes die Tätowirung der Arme und der Brust vollendet haben…
– Fahre nur fort, Lionel, antwortete Meister Nick mit zusammengepreßten Zähnen, Du rufst mein lebhaftestes Interesse wach. Die Gesichtsmalerei, der Haarschopf, die Mocassins aus Naturleder, die Tätowirung der Brust… Du hast doch nichts vergessen?
– Nichts, versicherte der junge Schreiber, und wenn der große Häuptling sich dann in der Tracht, die seine Vorzüge nur noch mehr hervorheben wird, den versammelten Kriegern zeigt, so zweifle ich keinen Augenblick, daß die schönsten Indianerinnen sich darum streiten werden, seinen Wigwam mit ihm theilen zu dürfen…
– Wie? Die Indianerinnen sollten kämpfen um die Gunst?…
– Und um die Ehre, dem Erwählten des großen Geistes eine lange Nachkommenschaft zu sichern!
– Da wird es also rathsam, daß ich eine Huronin heirate? fragte Meister Nick.
– Ja, könnte es um der Zukunft der Mahagannis willen denn anders sein? Sie haben übrigens schon eine Sqwaw von edler Geburt ausgewählt, die sich dem Glücke des großen Häuptlings weihen wird…
– Und kannst Du mir auch sagen, wer die rothhäutige Prinzessin sein wird, die sich zu opfern bereit wäre?…
– O, gewiß! antwortete Lionel, sie ist der Ahnenreihe der Sagamore ganz würdig!
– Und wer ist sie?
– Die Witwe des Vorgängers…«
Es war ein Glück für die Wangen des jungen Schreibers, daß er diese in respectvoller Entfernung von Meister Nick hielt, denn dieser holte zu einer wirklich preiswerthen Ohrfeige aus. Diese gelangte nur nicht an ihre Adresse, da Lionel die Entfernung weislich berechnet hatte, und sein Herr mußte sich wohl oder übel begnügen, ihn anzudonnern:
»Höre wohl auf, Lionel, wenn Du jemals auf diese Geschichte zurückkommst, zerre ich Dir die Ohren so lang, daß Du Methusalems Esel, sowie den David La Gamme’s um die seinigen nicht mehr zu beneiden brauchst!«
Nach diesem Vergleiche, der im
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