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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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raschen Schrittes nach der Mitte des Salons zurückkam.
    – Ich sage, Fräulein Clary… oder vielmehr, ich sage lieber nichts, das ist wohl klüger.
    – Ich bestehe aber darauf! erwiderte das junge Mädchen. Reden Sie!… Reden Sie! Ich bitte darum; was wissen Sie?
    – Wohl nur, was auch Andere wissen, antwortete Meister Nick, das nämlich, daß Johann ohne Namen in der Grafschaft Montreal aufgetaucht sein soll. Wenigstens macht eben ein solches Gerücht die Runde… unglücklicher Weise…
    – Unglücklicher Weise?… wiederholte Clary.
    – Ja; denn wenn es sich bewahrheitet, dürfte unser Held schwerlich den Nachstellungen der Polizei entgehen. Heute, als ich über die Insel Montreal fuhr, habe ich selbst die Häscher gesehen, welche der Minister Gilbert Argall auf die Spuren Johanns ohne Namen losgelassen hat, unter diesen auch den Chef des Hauses Rip & Cie.
    – Wie?… Rip?… stieß Herr de Vaudreuil hervor.
    – Ihn selbst, versicherte der Notar. Das ist ein gewandter Mann, dem für seine Mitwirkung gewiß ein hoher Preis zugesichert wurde. Gelingt es ihm, sich Johanns ohne Namen zu bemächtigen, so ist die Verurtheilung dieses jungen Mannes – ja wohl, er muß noch jung sein – entschieden, und die nationale Partei wird ein Opfer mehr zu zählen haben.«
    Trotz ihrer Selbstbeherrschung erbleichte Clary urplötzlich, ihre Augen schlossen sich und kaum vermochte sie das Klopfen ihres Herzens zu verbergen. Herr de Vaudreuil ging nachsinnend im Salon auf und ab.
    Um den peinlichen Eindruck seiner letzten Worte zu verwischen, setzte Meister Nick hinzu:
    »Allem Anschein nach ist er ein Mann von ungewöhnlicher Kühnheit, dieser unauffindbare Johann ohne Namen!… Bisher ist es ihm ja gelungen, sich den angestrengtesten Nachforschungen zu entziehen. Im Falle man ihm zu dicht auf den Fersen wäre, würde jedes Haus der Grafschaft ihm Zuflucht gewähren, würden alle Thüren sich vor ihm öffnen – sogar die Thür der Expedition des Meister Nick, wenn er bei diesem eine Zuflucht suchte… obwohl Meister Nick sich auf keine Weise in politische Angelegenheiten zu mischen wünschte.«
    Hiermit verabschiedete sich der Notar von Herrn und Fräulein de Vaudreuil. Er hatte keine Zeit zu verlieren, wenn er zur Essensstunde in Montreal zurück sein wollte – zu jener regelmäßig eingehaltenen und ihm stets willkommenen Stunde, in der er sich einer der wichtigsten Beschäftigungen seines Lebens hingab.
    Herr de Vaudreuil wollte anspannen lassen, um Meister Nick nach Laval zurückzubringen. Als kluger Mann lehnte dieser das freundliche Angebot ab; es schien ihm besser, daß Niemand von seinem Besuche in der Villa Montcalm erfuhr. Er hatte ja, Gott sei Dank, gute Beine, und eine Lieue mehr oder weniger, das setzte einen der besten Fußgänger des canadischen Notariats nicht in Verlegenheit. Außerdem hatte er ja Sagamoren-Blut in den Adern, er, der Abkömmling jener kraftvollen indianischen Völkerschaften, deren Angehörige gleich ganze Monate lang auf dem Kriegspfade wandelten.
    Kurz, Meister Nick rief seinen Lionel, der in den Alleen des Parkes jedenfalls dem heiligen Bataillon der Musen nachjagte, und Beide begaben sich am linken Ufer des St. Lorenzo hin nach Laval zurück.
    Nach dreiviertelstündigem Wege gelangten sie gerade in dem Augenblicke an die dortige Landungsbrücke, als Vincent Hodge, Clerc und Farran ans Land stiegen, um sich nach der Villa Montcalm zu begeben.
    Im Vorüberkommen an denselben wurde er mit einem jener unentweichbaren und vertrauten »Ei, guten Tag, Meister Nick!« begrüßt. Nach Ueberschreitung des Stromes kletterte er dann wieder in den Wagen und traf in seinem Hause am Bon-Secours-Markte gerade ein, als seine alte Dienerin, Mistreß Dolly, die dampfende Suppe auf den Tisch setzte.
    Meister Nick ließ sich sogleich in seinen bequemen Lehnstuhl nieder und Lionel nahm ihm gegenüber Platz, während er vor sich hinträllerte:
     
    Mit Dir entstehn, Du Wandelflamme,
    Mit Dir vergeh’n, Du irrend Licht!
     
    »Na, na, bemerkte der Notar, wenn Du während des Essens auch noch Verse kanst, dann nimm Dich wenigstens vor den Gräten in Acht!«
Fußnoten
    1 Gegen zwanzig Hektar.
Fünftes Capitel.
Der Unbekannte.
    Als Vincent Hodge, William Clerc und André Farran nach der Villa kamen, wurden sie daselbst von Herrn de Vaudreuil empfangen.
    Clary hatte sich nach ihrem Zimmer zurückgezogen. Durch das nach dem Parke zu offene Fenster ließ sie die Blicke in die Ferne schweifen, welche die

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