Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
sich nicht getäuscht, es war ein solches ungeheures Floß, welches den Strom hinabglitt. Eine an dessen Vordertheil befestigte Laterne zeigte die Richtung, der es folgte, und es hatte sich schon bis auf zwanzig Faden genähert, als der »Champlain« mit dem Einziehen seiner Netze zu Ende war.
    In diesem Augenblick begann eine klangvolle Stimme das alte Volkslied, das nach Roveillaud’s Angabe zum wahren Nationalgesang, wenn auch mehr nur durch die Melodie als durch den Text geworden ist. In dem Sänger, dem Führer des Floßes, erkannte man leicht einen Canadier französischen Stammes, schon an der Betonung und der breiten Aussprache der Doppellaute. Er sang Folgendes:
     
    Ich kam zurück ermüdet
    Vom lust’gen Hochzeitsschmauß,
    Und an der kühlen Quelle,
    Da ruht’ ich sorglos aus.
     
    Ohne Zweifel erkannte Johann die Stimme des Sängers, denn er näherte sich Pierre Harcher, gerade als der »Champlain« mittels einiger Ruderschläge ein wenig von dem Käfig abgebracht werden sollte.
    »Lege an, sagte er zu ihm.
    – Anlegen? antwortete Pierre verwundert.
    – Ja!… Das ist Louis Lacasse.
    – So werden wir aber mit ihm hinuntertreiben.
    – Höchstens fünf Minuten lang, versicherte Johann. Ich habe blos wenige Worte mit ihm zu sprechen.«
    Einen Augenblick später glitt Pierre Harcher, nachdem er die Ruderpinne umgelegt, längs des Holzzuges hin, an dem der »Champlain« mit seinem Vordertheile festgelegt wurde.
    Der Führer des Floßes hatte, als er dieses Manöver sah, seinen Gesang unterbrochen und rief.
    »Heda!… Kutter!… In Acht nehmen!
    – Es ist keine Gefahr, Louis Lacasse! antwortete Pierre Harcher; der »Champlain« ist es.«
    Mit einem Satze war Johann auf den Holzzug hinübergesprungen und hatte sich dessen Führer genähert, der ihn, als er ihn beim Lichte der Laterne erkannte, freundlichst begrüßte.
    »Ich mache Ihnen mein »Compliment«, Herr Johann.
    – Ich danke, Lacasse.
    – Ich rechnete darauf, Ihnen unterwegs zu begegnen und hatte mich schon entschlossen, den »Champlain« beim nächsten Aufenthalt während der Fluth abzuwarten. Doch, da Sie nun hier sind…
    – Ist Alles an Bord? fragte Johann.
    – Alles, versteckt unter den Planken und Brettern!… Ist herrlich verstaut, versichere ich Sie! setzte Louis Lacasse hinzu, während er Stein und Schwamm hervorzog, um die Pfeife wieder anzuzünden.
    – Sind die Zollbeamten da gewesen?
    – Ja wohl…. In Verchères!… Diese Maulwürfe haben eine ganze halbe Stunde lang hier herumgewühlt!… Gesehen haben sie nichts. Es war, als ob Alles in einer Lade verschlossen wäre.«
    Louis Lacasse sprach das Wort »Lade« mit derselben Dehnung aus, wie »Compliment«, und wie das noch in einzelnen Provinzen Frankreichs Sitte ist.
    »Wie viel? fragte Johann.
    – Zweihundert Flinten.
    – Und Säbel?
    – Zweihundertfünfzig.
    – Diese kommen…?
    – Aus Vermont. Unsere Freunde, die Amerikaner, haben tüchtig gearbeitet, gekostet hat uns Alles nicht besonders viel. Sie hatten nur einige Mühe, die Ladung bis nach Fort Ontario zu schaffen, wo wir sie übernahmen. Jetzt gibt es keine Schwierigkeiten mehr.
    – Und die Munition?…
    – Drei Tönnchen Pulver und einige Tausend Kugeln. Wenn jede von diesen ihren Mann trifft, wird es in Canada bald keinen Rothrock mehr geben, da werden sie aufgezehrt von den »Froschessern«, wie uns die Angelsachsen nennen.
    – Du weißt auch, fragte Johann, für welche Kirchspiele die Waffen und die Munition bestimmt sind?
    – Vollkommen, versicherte der Fischer. Seien Sie ohne Sorge! Es ist keine Gefahr mehr, überrascht zu werden. Während der Nacht, wenn es tiefste Ebbe ist, werde ich meinen Käfig festlegen, und dann kommen Boote vom Ufer, um jedes seinen Theil abzuholen. Doch gehe ich nicht weiter, als bis Quebec hinunter, wo ich meine Hölzer an Bord des »Moravian« von Hamburg abzuliefern habe.
    – Schon recht, antwortete Johann. Vor Quebec wirst Du auch deine letzten Flinten und letzten Pulvertonnen abgegeben haben.
    – Es wird sich schon machen.
    – Sage mir, Louis Lacasse, bist Du auch der Leute, die Du bei Dir hast, sicher?
    – Wie meiner selbst. Wahre Jean-Baptiste 1 sind es, und wenn es darauf ankommt – eine Muskete abzubrennen, so glaub’ ich nicht, daß sie zaruckbleiben würden.«
    Louis Lacasse sagte »zaruck«, vielleicht weil man »dahinter« und nicht »duhinter« sagt.
    Johann übergab ihm noch eine gewisse Menge Piaster, welche der wackere Schiffsmann, ohne sie zu zählen,

Weitere Kostenlose Bücher