Die Familie ohne Namen
sein.
Der Führer des »Champlain« manövrirte in der Weise, um nach dem rechten Stromufer zu gelangen; er erreichte dasselbe gegen fünf Uhr Nachmittags, nahe der Grenze, welche zwischen Montreal und Laprairie verläuft.
Da sagte Johann zu ihm:
»Ich werde aus Land gehen, Pierre.
– Du willst nicht mit uns nach Laprairie kommen? fragte Pierre Harcher dagegen.
– Nein, ich muß noch das Kirchspiel von Chambly besuchen, und wenn ich bei Caughnawaga lande, habe ich einen kürzeren Weg dahin.
– Du wagst damit aber viel, bemerkte Pierre, und ich werde Dich nicht ohne Unruhe diesen Weg nehmen sehen. Warum willst Du uns verlassen, Johann? Bleibe noch zwei Tage, und wir gehen nach der Abtakelung des »Champlain« zusammen.
– Ich kann nicht, antwortete Johann, ich muß noch diese Nacht in Chambly sein.
– Wünschest Du vielleicht, daß Dich zwei von uns begleiten? fragte Pierre Harcher.
– Auch das nicht, es ist besser, ich bin allein.
– Und Du wirst dich in Chambly aufhalten?…
– Nur wenige Stunden, Pierre; vor Tagesanbruch hoffe ich von da wieder aufzubrechen.«
Da Johann nicht geneigt schien, sich über das, was er in jenem Flecken vorhatte, näher zu erklären, so bestand Pierre Harcher nicht weiter darauf und begnügte sich hinzuzufügen:
– Sollen wir Dich in Laprairie erwarten?
– Das ist unnöthig. Macht was Ihr zu machen habt, ohne Euch um meinetwillen zu ängstigen.
– Wo werden wir uns dann wieder treffen?…
– Im Pachthofe zu Chipogan.
– Du weißt, fuhr Pierre fort, daß wir in der ersten Octoberwoche dort sein müssen.
– Ja, das weiß ich.
– Verfehle auch Du diese Zeit nicht, Johann. Deine Abwesenheit würde meinem Vater, meiner Mutter und uns Allen große Sorge bereiten. Wir werden in Chipogan zu einem Familienfeste erwartet, und da Du unser Bruder geworden bist, mußt Du ebenfalls da sein, damit die Familie vollzählig ist.
– Ich werde mich einstellen, Pierre!«
Johann drückte den Söhnen Harcher’s die Hand. Dann begab er sich nach der Cabine des »Champlain«, legte wieder die Kleidung an, welche er bei seinem Besuche in der Villa Montcalm getragen hatte, und nahm von seinen wackeren Genossen Abschied.
Gleich darauf sprang Johann auf das Ufer und nach einem letzten »Auf Wiedersehen!« verschwand er unter den Bäumen, deren dunkles Dickicht das Irokesendorf umgibt.
Nach einem letzten »Auf Wiedersehen« verschwand Johann. (S. 129.)
Pierre, Rémy, Michel, Tony und Jacques begaben sich unverzüglich wieder an die Arbeit. Nur mit großer Anstrengung und dem Aufwand aller Kräfte gelang es ihnen, ihr Fahrzeug gegen die Strömung anzuholen, wobei sie die Wirbel benützten, welche sich an verschiedenen Stellen bildeten.
Um acht Uhr Abends lag der »Champlain« sorgsam vertaut in einer kleinen Bucht vor den ersten Häusern von Laprairie.
Die Brüder Harcher hatten ihre Fischerei-Campagne beendet, während der sie sechs Monate lang je zweihundert Lieues weit die Gewässer des gewaltigen Stromes bergauf und bergab befahren hatten.
Fußnoten
1 Ein Name, mit dem man die französischen Canadier auf dem platten Lande vielfach bezeichnet.
Achtes Capitel.
Ein Jahrestag.
Um fünf Uhr Nachmittag war es, als Johann den »Champlain« verließ. Drei Lieues trennten ihn da ungefähr von dem Flecken Chambly, nach dem er sich begeben wollte.
Was hatte er daselbst vor? War seine Propaganda, die er seit dem Eintreffen in der Villa Montcalm in den äußersten südwestlichen Grafschaften betrieb, noch nicht beendet gewesen? Ja, das wohl; doch gerade dieses Kirchspiel hatte seinen Besuch noch nicht erhalten. Warum das so gekommen, hätte Niemand errathen können, und er hatte es auch keinem Menschen gesagt, ja, vielleicht mochte er es sich kaum selbst gestehen. Er wanderte jetzt auf Chambly zu, als ob dieses gleichzeitig anziehend und abstoßend auf ihn wirkte, denn jedenfalls war er sich des Kampfes bewußt, der ihm hier bevorstand.
Zwölf Jahre waren vergangen, seit Johann den Flecken, in dem er geboren, verlassen hatte. Nie hatte man ihn daselbst wiedergesehen. Jetzt würde ihn Keiner mehr wieder erkennen. Er selbst besann sich ja nach so langer Abwesenheit kaum auf die Straße, auf der er als Kind gespielt, noch auf das Haus, in dem er seine ersten Jahre verbracht hatte.
Doch nein, die Erinnerungen aus seinem frühesten Alter konnten aus seinem lebhaften Gedächtnisse doch nicht so vollständig verwischt sein. Aus dem Uferwald herausgetreten, sah er sich
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