Die Familie ohne Namen
Gosford wußte das recht wohl. Er verfügte nur über beschränkte Kräfte, welche von der Uebermacht erdrückt werden mußten, wenn der Aufstand wirklich ganz allgemein wurde. Es galt also jenen durch einen zweifachen Schlag in St. Denis und St. Charles gleich empfindlich zu treffen – was nach den Vorfällen von Longueuil versucht werden sollte.
Sir John Colborne, der Oberbefehlshaber, theilte die anglo-canadische Armee in zwei Colonnen.
An der Spitze der einen stand der Oberstlieutenant Whiterall, an der der anderen der Oberst Gore.
Nach eiligst vollendeten Vorbereitungen brach der Oberst Gore im Laufe des 22. November von Montreal auf. Seine aus fünf Compagnien Füselieren und einer Schwadron Reiterei bestehende Abtheilung besaß an Artillerie nur ein einziges Feldstück. Am Abend desselben Tages traf dieselbe noch in Sorel ein. Trotz des abscheulichsten Wetters und der fast ungangbaren Wege zögerte Gore nicht im Geringsten, in pechdunkler Nacht weiter hinauszuziehen.
Eine Abtheilung kam herbei, um Unterstützung zu gewähren. (S. 236.)
Seine Absicht ging dahin, die Aufständischen in St. Charles vor die Klinge zu bekommen, nachdem er die von St. Denis zerstreut, und vor jedem eigentlichen Angriffe durch den Sherif-Deputirten, der ihn begleitete, regelrechte Verhaftungen vorzunehmen.
Der Oberst Gore hatte Sorel seit einigen Stunden verlassen, als der Lieutenant Weir vom 32. Regiment dahin kam, um ihm eine Depesche von Sir John Colborne zu übergeben. Die Depesche war dringender Natur, so daß der Lieutenant sich sofort aufmachte, einen Querweg einschlug und so eilig vorwärts drang, daß er in St. Denis vor den Truppen Gore’s eintraf und so den Patrioten in die Hände fiel.
Der mit der Vertheidigung beauftragte Doctor Nelson fragte den jungen Officier aus und entlockte ihm auch wirklich das Geständniß, daß die Königlichen schon auf dem Marsche hierher seien, wo sie etwa am Morgen eintreffen mußten. Dann übergab er ihn der Obhut einiger Männer mit der Empfehlung, die einem Gefangenen gebührenden Rücksichten nicht aus den Augen zu setzen.
Nun wurden die letzten Vorbereitungen in größter Hast getroffen. Unter anderen Compagnien von Patrioten befand sich auch die, welche man allgemein als »Raketen« und als »Biber« bezeichnete, Mannschaften, welche sehr geschickt im Gebrauche der Waffen waren und die sich bei dieser Gelegenheit ganz außerordentlich bewährten. Unter dem Befehle des Doctor Nelson standen auch Papineau und einige Abgeordnete, der General-Commissär Philipp Pacaud, ferner die Herren de Vaudreuil, Vincent Hodge, André Farran, William Clerc und Sebastian Grammont. Auf ein Wort, das ihnen von Johann zukam, waren sie den Reformern zu Hilfe geeilt, wobei sie nur mit Mühe der Polizei in Montreal entgehen konnten.
Halt! und liefert uns die Gefangenen aus! (S. 237.)
Clary war gleichfalls zu ihrem Vater gekommen, den sie seit dem Weggange von Chipogan nicht wieder gesehen hatte. Nach Erlassung eines Haftbefehls gegen ihn gezwungen, jede Verbindung mit der Villa Montcalm abzubrechen, war Herr de Vaudreuil höchst unruhig, seine Tochter daselbst allein und Gefahren aller Art ausgesetzt zu wissen. Als er sich dann entschlossen, nach St. Denis zu gehen, schlug er ihr vor, ihn dort zu treffen. Clary zauderte nicht, dem Rufe zu folgen, da sie an dem endlichen Siege gar nicht zweifelte, wenn Johann die Führung der Patrioten übernahm. Herr und Fräulein de Vaudreuil waren also vereinigt in dem Flecken, wo das Haus eines Freundes, des Richters Froment, ihnen Unterkunft gewährte.
Inzwischen wurde eine Maßnahme beschlossen, der sich Papineau sehr gegen seinen Wunsch unterwerfen mußte. Der Doctor Nelson und einige Andere, auf deren Anrathen dieselbe erfolgte, stellten dem kampfesmuthigen Abgeordneten vor, daß sein Platz auf dem Schlachtfelde nicht, dagegen sein Leben zu kostbar sei, um es ohne Nothwendigkeit schweren Gefahren auszusetzen. Er sah sich also gezwungen, St. Denis zu verlassen, um sich an einen sicheren Ort zu begeben, wo die Agenten Sir Gilbert Argall’s ihn nicht entdecken konnten.
Die ganze Nacht wurde angewendet, Kugeln zu gießen und Patronen zu verfertigen. Der Sohn des Doctor Nelson und seine Genossen, Herr de Vaudreuil und dessen Freunde, gingen, ohne einen Augenblick zu verlieren, an die Arbeit. Leider ließ die Bewaffnung recht viel zu wünschen übrig. Die wenig zahlreichen Gewehre bestanden aus leicht einmal versagenden Steinschloßflinten,
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