Die Familie ohne Namen
Beifallsrufen mit den Worten: »daß die Zeit herangekommen sei, die Löffel einzuschmelzen, um Kugeln daraus zu gießen.« Das bekräftigte Doctor Côte, der Vertreter von Acadien, noch mit den entschlossenen und aufreizenden Worten:
»Die Zeit der Verhandlungen ist vorüber! Jetzt gilt es unsere Feinde mit Blei zu begrüßen!«
Dreizehn Vorschläge gelangen zur Annahme, während die Hurrahs des Volkes sich mit den Gewehrsalven der Miliz vermischen.
Diese Vorschläge, welche O. David in seiner Schrift »Die Patrioten« wiedergibt, enthalten zuerst einen Hinweis auf die unveräußerlichen Menschenrechte, erläutern dann das Recht und die Nothwendigkeit, sich gegen eine tyrannische Regierung aufzulehnen, suchen die Soldaten der englischen Armee zur Fahnenflucht zu verleiten, ermuntern das Volk, den Behörden und den von der Regierung ernannten Milizofficieren den Gehorsam zu verweigern und endlich sich gleich den Söhnen der Freiheit zu organisiren.
Die Kirchspiele traten zu Meetings zusammen. (S. 331.)
Zuletzt bewegen sich Papineau und seine Gefährten im feierlichen Aufzuge an der symbolischen Säule vorüber, während durch einen Chor junger Leute mit lauter Stimme ein Hymnus gefangen wird.
Jetzt schien es, als ob die Begeisterung den höchsten Grad erreicht hätte, und doch sollte sie sich noch weiter steigern, als nach einigen Minuten größerer Ruhe eine neue Persönlichkeit auf den Schauplatz trat. Es war das ein junger Mann mit leidenschaftlichen Blicken und energischen Gesichtszügen. Er erklimmt den Sockel der Säule, und so die Tausende von Theilnehmern an der Versammlung von St. Charles überragend, schwingt seine Hand die Fahne der canadischen Unabhängigkeit. Verschiedene erkennen ihn wieder. Vor ihnen aber hat der Advocat Grammont seinen Namen ausgerufen und unter dröhnenden Hurrahs wiederholt die Menge: »Johann ohne Namen! Johann ohne Namen!«
Johann kam eben aus dem geschlossenen Hause. Zum ersten Male seit dem letzten Waffentanze im Jahre 1834 zeigte er sich hier öffentlich; nachdem er dann seinen Namen dem der übrigen Politiker hinzugefügt, verschwand er wieder… Man hatte ihn jedoch einmal wieder gesehen, und die Wirkung davon war eine ungeheuere.
Die einzelnen Ereignisse, welche sich in St. Charles zugetragen hatten, verbreiteten sich mit Windeseile über ganz Canada. Man könnte sich nur schwer eine Vorstellung machen von der ermuthigenden Wirkung, die sie erzeugten. In den meisten Kirchspielen des Bezirks wurden nun weitere Versammlungen abgehalten. Vergebens suchte der Bischof von Montreal, Mgr. Lartigue, die Gemüther zu besänftigen, indem er sie zu evangelischer Mäßigung und zum Verharren auf dem Boden der Gesetze ermahnte. Der Ausbruch stand jetzt nahe bevor. Sowohl Herr de Vaudreuil in seinem Versteck als auch Clary in der Villa Montcalm waren durch zwei Billets, deren Unterschrift ihnen den Absender verrieth, davon benachrichtigt worden. Dieselbe Mittheilung hatten Thomas Harcher und seine Söhne in St. Albans, jenem amerikanischen Dorfe erhalten, in dem sie des Augenblickes harrten, die Grenze wieder zu überschreiten.
Zu dieser Jahreszeit hatte sich der Winter schon mit der dem amerikanischen Klima eigenthümlichen Schroffheit angemeldet. Hier bieten die endlosen Ebenen dem aus den Polargegenden herabbrausenden Sturme keine Hindernisse, und der nach Europa zu abweichende Golfstrom erwärmt sie nicht mit seinem segenspendenden Gewässer. Hier fehlte es also sozusagen an jedem Uebergang zwischen der Wärme des Sommers und der Kälte der Winterperiode. Fast ohne Unterlaß strömte der Regen herab, nur selten unterbrochen von einem flüchtigen, doch jeder Wärme beraubten Sonnenstrahl. Binnen wenigen Tagen hatten die bis zum äußersten Ende ihrer Zweige kahl gewordenen Bäume die Erde mit einer Unmenge von Blättern bedeckt, über welche sich im ganzen Gebiete Canadas bald darauf eine dichte Schneeschicht ablagern sollte. Doch weder die Wucht des Sturmes, noch die kalte Temperatur des Klimas sollte die Patrioten abhalten, sich auf das erste Signal zu erheben.
Unter solchen Verhältnissen kam es – am 6. November – zwischen den beiden Parteien in Montreal zu einem ersten Zusammenstoße.
Am ersten Montage jeden Monats versammelten sich die Söhne der Freiheit in den größeren Städten zu einer öffentlichen Kundgebung. An genanntem Tage beabsichtigten die Patrioten von Montreal dieser Demonstration eine weiter hinausreichende Wirkung zu verleihen. Es wurde
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