Die Familie ohne Namen
Annäherung der Gefangenen und ihrer Bedeckungsmannschaft ankündigte.
Der Wagen kam an. Sofort begab sich Viger zu dem Anführer der Abtheilung:
»Halt, sagte er, und liefert uns im Namen des Volkes die Gefangenen aus!
– Achtung, rief der Officier, sich nach seinen Leuten umkehrend. Macht schnell!…
– Halt!« wiederholte der Unbekannte.
Plötzlich stürmte ein Mann heran, um sich dieses zu bemächtigen. Es war ein Agent des Hauses Rip & Cie. – Einer von Denen, die in der Farm von Chipogan mit gewesen waren.
»Johann ohne Namen! rief er, sobald er des jungen Proscribirten ansichtig wurde.
– Johann ohne Namen!« wiederholte Viger, der seinem Begleiter zu Hilfe eilte.
Plötzlich ertönten in unaufhaltsamem Ausbruche begeisterte Rufe.
In dem Augenblicke, wo er seinen Leuten Befehl gegeben, sich Johanns ohne Namen zu bemächtigen, wurde der Officier von einem kräftigen Canadier zurückgestoßen. Letzterer war quer über das Feld herangestürmt, während die Anderen, die noch hinter der Hecke bereit standen, auf Viger’s Befehle warteten – Befehle, welche dieser mit lautschallender Stimme sehr vielfach ertheilte, als könne er wenigstens über hundert Kämpfer verfügen.
Während dessen war Johann ohne Namen an den Wagen herangekommen und ihn umgaben verschiedene seiner Anhänger, welche ebenso entschlossen waren, ihn zu vertheidigen, wie die Herren Denaray und Davignon zu befreien.
Nachdem er sich wieder erhoben, commandirte der Officier Feuer. Sechs bis sieben Flinten krachten. Viger wurde von zwei Kugeln getroffen, zum Glück nicht tödtlich, da eine derselben ihm nur das Bein gestreift und die andere ihm die Spitze des kleinen Fingers weggerissen hatte. Er antwortete mit einem Pistolenschuß und traf den Anführer der Begleitmannschaft ins Knie.
Jetzt scheuten auch die Pferde der Mannschaft, von denen einige durch Schüsse verletzt waren, und rasten davon. Die Königlichen, welche glaubten, es vielleicht mit tausend Mann zu thun zu haben, zerstreuten sich über das Land. Der Wagen war befreit, und Johann ohne Namen und Viger sprangen nach dessen Thür, um diese aufzureißen. Die Gefangenen wurden erlöst und im Triumph nach dem Dorfe Boucherville geleitet.
Als Viger und die Anderen aber nach dem Scharmützel Johann ohne Namen suchten, war er nicht mehr da. Gewiß hatte er gehofft, bis zum Ausgang der Sache sein Incognito zu bewahren, und gewiß hätte ihn nichts vermuthen lassen, daß er sich hier einem Agenten Rip’s gegenüber befand und seine Person den anderen Betheiligten bekannt werden würde. Sobald der kurze Kampf vorbei war, hatte er sich denn auch beeilt, wieder zu verschwinden, ohne daß Jemand gesehen hatte, nach welcher Seite er sich wandte. Jedenfalls rechneten aber die Patrioten einer wie der andere fest darauf, ihn zur Stunde des beginnenden Kampfes, der über die canadische Unabhängigkeit entscheiden sollte, wieder erscheinen zu sehen.
Zweites Capitel.
St. Denis und St. Charles.
Der Tag zur Ergreifung der Waffen sollte nicht mehr fern sein. Der Schauplatz, an dem der Kampf entbrennen sollte, waren offenbar diejenigen Grafschaften, welche an die Grafschaft Montreal grenzten und in denen die Aufregung schnell eine für die Regierung bedenkliche Höhe erreichte, unter anderen die Grafschaft Verchères und St. Hyazinthe. Man bezeichnete dafür besonders zwei der reichsten, vom Laufe des Richelieu durchschnittenen und nur wenige Meilen von einander entfernten Kirchspiele – St. Denis, wo die Reformer ihre Kräfte zusammengezogen hatten, und St. Charles, wo Johann, der nach dem geschlossenen Hause zurückgekehrt war, bereit stand, das Signal zur Erhebung zu geben.
Der General-Gouverneur hatte alle durch die Nothwendigkeit gebotenen Maßregeln getroffen. Die Reformer konnten deshalb nicht mehr daran denken, ihn in seinem Palaste überrumpeln und die Autorität des Staates durch die des Volkes ersetzen zu können. Ja es war sogar zu befürchten, daß der erste Angriff von den Bureaukraten ausgehen werde. Die Gegner derselben hatten sich denn auch in leicht zu vertheidigende Stellungen zurückgezogen, wo sie sich unter günstigeren Bedingungen organisiren konnten. Ihr weiteres Streben erst ging dann dahin, von der Vertheidigung zum Angriff überzugehen.
Ein erster Sieg in der Grafschaft St. Hyazinthe errungen – das war die Erhebung der Uferbevölkerung von St. Lorenzo, d. h. die Vernichtung der anglosächsischen Tyrannei vom See Ontario bis zur Mündung des Stromes.
Lord
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