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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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nannten ihn Te Rerenga Wairua, den Absprungort der Geister. Von dem Leuchtturm, der vorne auf einer Landzunge steht, kann man, so heißt es, den Zusammenfluss der Tasmansee im Westen und des Pazifiks im Osten sehen, deren Strömungen miteinander um die Vorherrschaft ringen. Auf dem Weg dorthin fährt man an einem einhundertvierzig Kilometer langen Küstenstreifen entlang – Strand, so weit das Auge reicht.
    »Und unter welchem Motto wird er stehen?«, fragte Joan, deren Augen erwartungsvoll funkelten.
    »Der Tag der Toten«, antwortete Moana, die weiterlas. »Ein bisschen makaber, finden Sie nicht?«
    »Nein, ganz und gar nicht«, meinte die alte Dame. »Ich kann das beurteilen, schließlich stehe ich schon mit einem Fuß im Grab.« Sie hob die faltige Hand, um die höflichen Proteste der Mädchen zu ersticken. »Der Tod ist nur eine weitere Etappe auf unserem Lebensweg.«
    In jener Nacht lagen Moana und Iris in Joans renovierungsbedürftigem Häuschen nebeneinander im Bett. In einem anderen Leben wären sie vielleicht Schwestern gewesen, in diesem aber war aus ihnen mehr geworden.
    In den letzten Monaten hatte Moana gemerkt, dass sie Iris liebte. Es war sogar mehr als Liebe, sie verzehrte sich nach ihr. Zugleich quälte Moana die Angst, Iris zu verlieren. Seit sie beide die Schule abgeschlossen hatten, arbeitete Iris im Büro eines örtlichen Autohändlers und hatte nun eine ganze Reihe von Verehrern. Meist ältere Männer, gut betucht, die sich ein Auto leisten konnten. Und vielleicht schwärmten auch deren Ehefrauen für Iris, vermutete Moana gelegentlich. Iris war einfach anbetungswürdig mit den dichten, ungezähmten, braunen Locken, die ihr Gesicht umrahmten, mit Augen in der Farbe geschmolzener Schokolade und mit ihren zarten Gliedern.
    Iris hatte ein rundes Puppengesicht und Rehaugen mit einem Unschuldsblick, und praktisch jeder fühlte sich von ihr angezogen. Moana hielt sich für längst nicht so schön – sie war zwar nicht dick, aber gedrungen, das braune Haar stumpf und glatt, die Augenbrauen ein bisschen zu breit und ihr Gesicht eckig und unscheinbar. Wenn es sich vermeiden ließ, sah sie lieber nicht in den Spiegel, denn sie fand sich gewöhnlich. Oft wünschte sie sich, ein Junge zu sein, denn dann könnte es ihr egal sein, ob ihre Frisur saß oder ob sie an der Taille zugenommen hatte.
    Schon als sie zum ersten Mal von dem Ball hörte, hatte sie den Wunsch verspürt, einmal dazuzugehören – und Iris mitzunehmen. Joan hatte ihn voller Magie geschildert. Der Wunsch war so dringlich wie ihre immerwährende Sehnsucht nach dem Meer. Als sie dann erfuhr, dass der nächste Ball in Cape Reinga stattfinden sollte, an jenem Ort, wo zwei Meere aufeinandertreffen, wusste sie, dass sie hinmussten, koste es, was wolle.
    Allerdings glaubte sie, keine Chance zu haben, eingeladen zu werden – bis in Joans Briefkasten ein weiterer dicker Umschlag lag, diesmal an Moana Irving und Iris Lark adressiert. Als Moana ihn mit zitternden Fingern aufriss, erfuhr sie, dass die alte Dame an die Veranstalter des Balls geschrieben und ihnen empfohlen hatte, den beiden Mädchen eine Stelle in der Küche anzubieten. Dass sie nicht besonders gut kochen konnten, hielt Joan eher für nebensächlich.
    Alle Speisen und Getränke, die am Ballabend gefertigt würden, schmeckten völlig anders als alles, was sie bisher gegessen hatten oder je essen würden; und daher waren die exotischen Rezepte sorgsam gehütete Geheimnisse. Sie würden also lediglich Hilfsarbeiten erledigen wie schälen, schneiden, hacken und rühren. Da man davon ausging, dass ein Gericht das besondere Aroma der Person annahm, die es zubereitete, wurden in der Regel nur wenige, sehr erfahrene Köche vom Ballkomitee erkoren, die die Oberaufsicht hatten. Das übrige Küchenpersonal wurde nach der Ausstrahlung ausgewählt, die sich vermutlich auf die Speisen übertragen würde. Eine Mischung aus Persönlichkeit, Begeisterungsfähigkeit für das Fest und Sinneslust. Mit diesen Dingen stand es bei den Mädchen, wie Joan den Veranstaltern geschrieben hatte, jeweils zum Besten.
    Die Einladung hatten sie nun, sie brauchten jetzt nur noch für ihre Reise zu sorgen. Joan hatte abgelehnt mitzukommen und erklärt, sie zöge ihre Erinnerungen aus der Jugendzeit irgendwelchen kläglichen Abenteuern vor, zu denen ihr ausgezehrter Körper vielleicht noch in der Lage sei.
    Iris hatte ihren Vater beschwatzt, ihnen sein Auto zu leihen. Sie besaß zwar kaum Erfahrung mit

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