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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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bettelte sie.
    Sie einigten sich, und Ginger mit seinem im Mondlicht schimmernden Rotschopf ging los, Siv neben ihm, und Aurelia dahinter.
    So konnte Aurelia sie in Ruhe nebeneinander betrachten. Ginger, schon an sich ziemlich groß, wirkte an der Seite von Siv noch größer. Ein seltsames Paar. Aber wenn man sie selbst und Siv zusammen sah, musste das bei anderen wohl den gleichen Eindruck hinterlassen.
    Ginger brachte sie zu einem weit kleineren Zelt als dem Bierzelt von vorhin. Das Innere war über und über mit Lichterketten geschmückt, die irgendein kreativer Mensch zu einem Sternenhimmel drapiert hatte. Dadurch wirkte das Zeltdach weit höher, als es eigentlich war. Immer wenn Aurelia aufblickte, hatte sie das Gefühl, unter dem Nachthimmel zu stehen – irgendwo außerhalb Londons und näher an ihrem Heimatort an der Küste, wo es keine Luftverschmutzung und Großstadtlichter gab und unzählige Sterne hell funkelten.
    In der Mitte des Zelts waren große Holzfässer zu einer provisorischen Bar aufgebaut. Die Gerüche, die hier aufstiegen, waren ganz anders als in den Kneipen, die Aurelia kannte. Sie schnupperte, und auf der Stelle lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
    »Schokolade«, sagte Ginger lächelnd, als er ihre Reaktion bemerkte. »Heiße Schokolade. Und zwar garantiert die beste, die du je getrunken hast. Stammt von unserer Wahrsagerin. Sie behauptet, das Rezept in den Gedanken eines Kunden gelesen zu haben, und weil es gegen ihre Berufsehre verstoßen würde, dieses Geheimnis zu verraten, wissen wir nicht, was sie hineintut. Sie verdient ein Vermögen mit diesem Zeug … Wartet, ich hole uns welche.«
    Er stellte sich am Tresen an, und Siv eilte ihm hinterher, um ihm beim Tragen zu helfen. Aurelia, die nun allein in einer Ecke stand, wurde nicht nur von einigen wenigen neugierig gemustert.
    Still blieb sie stehen und widerstand der Versuchung, mit ihrem Handy herumzuspielen, zumal sie wusste, dass sie bald jede Menge verpasste Anrufe und SMS von Sivs Eltern oder ihren Pflegeeltern vorfinden würde, wenn sie bis Mitternacht nicht daheim wären.
    Hier, unter dem künstlichen Firmament, spürte Aurelia viel klarer, was sie fühlte und dachte. Ein neues, außergewöhnliches Empfinden regte sich in ihrer Brust. Sie meinte einen Augenblick, die Zeit wäre stehen geblieben, und alles im Zelt erschien ihr mit einem Schlag lauter, heller und lebendiger. Die Gespräche der Gäste wurden leiser, dafür fiel ihr der Song auf, der im Hintergrund lief – »Missing« von Everything But the Girl. Die Musik weckte in ihr das Gefühl von Einsamkeit, als drückte der Text eine Vorahnung aus.
    Ein anderer Duft stieg ihr in die Nase, der sich mit dem nach Ingwer und Zimt im Kakao der Wahrsagerin mischte. Neugierig, woher er kam, wandte sie den Kopf, konnte die Quelle aber nicht ausmachen.
    Der Geruch wurde stärker, und plötzlich nahm sie auch den Körper des Mannes neben sich wahr.
    Aurelia schreckte zusammen. Sie hatte ihn nicht kommen sehen. Im Raum schien es dunkler zu werden, und sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, spürte nur seine massige Gegenwart und zugleich eine überwältigende Geborgenheit, das Gefühl, nicht mehr allein unter Fremden zu sein.
    »Oh, du bist es«, entfuhr es ihr, als würde sie ihn schon seit Ewigkeiten kennen. Die Bemerkung war ihr einfach so herausgerutscht.
    »Ja«, erwiderte der Mann mit einem leisen Lachen in der dunklen Stimme. »Ich bin es.«
    Ihr ganzer Körper reagierte auf merkwürdige Weise, als hätten sein Atem und seine Worte sie in einen unsichtbaren Kokon eingesponnen, in eine Hülle voll Zärtlichkeit und absoluter Sicherheit.
    Sie hatte das Gefühl, allein hier zu sein, nur sie und dieser Mann, dessen Gegenwart sie mit allen Fasern ihres Körpers spürte, dessen Gesicht sie aber noch nicht richtig gesehen hatte.
    Er strich ihr durchs Haar. Seine Hand fühlte sich kühl an auf ihrer Wange. Aurelia musste daran denken, wie angenehm ihr die Windböen an der Geisterbahn gewesen waren. Und sie lehnte sich an ihn und überließ sich ihm vertrauensvoll.
    Er neigte sich zu ihr und küsste sie. Als sie seine Lippen auf ihren spürte, waren jeder Gedanke in ihrem Kopf und jede Empfindung in ihrem Körper ausgelöscht. Das Zelt, Siv, Ginger, die Sterne und der Jahrmarkt – all das existierte nicht mehr. Es gab nur noch ihren Mund und seinen. Sonst zählte nichts mehr auf der Welt.

2 GROSSE ERWARTUNGEN
    Und im nächsten Augenblick war er weg.
    Ginger und Siv kehrten zurück,

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