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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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frühmorgens miteinander schwatzten, wenn die Sonne über dem Tal aufging und die Buchenblätter wie geölt funkelten. Nach und nach sammelte sie die Steine aus dem Boden, unterteilte die Fläche mit Totara-Kiefernbrettern und setzte einen Zaun aus Blechen. »Eine steinerne Mauer um ein so großes Stück Land«, hatte Joseph ihr erklärt, »ist ein frommer Wunsch. Hast du eine Ahnung, wie lange drei Männer gebraucht haben, um den Steinkamin zu bauen?«
    Harriet hatte sich eine Steinmauer vorgestellt, aber die konnte warten. Sie strich die Bleche weiß und befestigte sie an jungen Baumstämmen. Ein Tor gab es nicht. Der Blechzaun lief um den gesamten Garten. Jedes Mal, wenn Joseph oder Lilian hinauskamen, um ihn zu betrachten und auf der einen Seite des Zauns standen, wirkte Harriet auf der anderen Seite wie eine Gefangene, die sie nicht besuchen durften. Sie sahen ihr zu, wie sie in gebückter Haltung arbeitete, das Haar unter einem Kopftuch versteckt, in der hochgebundenen Schürze ihre Saatkartoffeln, die Stiefel voller Lehmklumpen.
    »Ist sie glücklich dabei?«, fragte Lilian.
    »Ja«, sagte Joseph.
    Lilian schnaubte. »Es sieht aus wie Sträflingsarbeit«, verkündete sie.
    Der Bach schlängelte sich hinter Harriets Garten entlang, rauschte besonders laut nach heftigen Regengüssen, rüttelte die Steine durcheinander, führte Schwarzbuchenäste und Zweige der roten Matipo aus dem Hochwald mit sich. Noch nie hatte Harriet Wasser von solch eisiger Frische berührt oder gekostet. Wenn die Nachmittagsdämmerung hereinbrach und sie das erste Aufschimmern von Lilians Lampen in den Lehmhausfenstern sah, stellte sie sich ans Ufer und horchte auf ihre neue Welt. Und wenn der Wind ein wenig nachließ, hörte sie vielleicht in den fernen Bäumen eine Eule oder das klagende Ku-li, Ku-li der Wekaralle, das sie dank Joseph inzwischen erkennen konnte. Manchmal breitete sie auch ihre lehmbeschmutzte Schürze aus, kniete darauf nieder, wusch die Hände und schöpfte sich Wasser in den Mund. Oft verharrte sie, das Gesicht dicht über dem Wasser, so lange in dieser Haltung, dass, wenn sie sich endlich erhob, vollkommene Dunkelheit herrschte.
II
    Im ersten Brief an ihren Vater Henry Salt schrieb Harriet:
    Wir essen Hammel und noch mehr Hammel: Hammelbeine, Hammeleintopf und Hammelkoteletts, Aufläufe und Pasteten mit Hammel. Ich glaube, wir riechen schon wie Schafe.
    Dann erzählte sie ihm von der Kuh, der sie den Namen Beauty gegeben hatten,
    weil sie von Natur aus so freundlich ist und ihre Augen schön wie Bernsteinseen sind und die Locken auf ihrem Kopf aussehen, als wären sie tatsächlich auf Lockenpapier gewickelt worden.
    Beauty, diese Schönheit, hatte weder Stall noch Scheune. Aber aus einem alten Läufer und einigen Metern Zwirn hatte Lilian einen Mantel für sie angefertigt. Das war bisher die einzige Aufgabe, die Lilian Blackstone mit fast so etwas wie Begeisterung erledigt hatte, und es war ein ebenso seltsamer wie rührender Anblick, dass dort auf dem Feld jetzt eine Kuh herumlief, die ein menschliches Kleidungsstück trug und dabei gelbes Heu fraß.
    Wenn die Sonne schien und sie vergessen hatten, Beauty den Mantel abzunehmen, dampfte es durch die Wolle. Harriet fand Beautys Geruch fast so angenehm wie den der Menschen, denen sie in ihrem Leben begegnet war, und sie malte sich aus, dass ihre eigenen Kinder vielleicht auch so riechen würden – nach Milch und nach Erde und nach warmer Wolle.
    Das Melken von Beauty gehörte zu ihren Lieblingsaufgaben. Die Kuh stand jedes Mal vollkommen still, wenn Harriet mit ihren von der Gartenarbeit roten und rauen Händen an den warmen, gummiartigen Zitzen zog. Nur Beautys Flanken zuckten gelegentlich, oder sie drehte ihr gelocktes Haupt und blicktemit ihren dicht bewimperten Augen in die untergehende Sonne oder den Regen.
    Manchmal legte Beauty sich in ihrem Mantel direkt an der Mauer vom Lehmhaus nieder, und Harriet konnte sie atmen hören. An Henry Salt schrieb sie: Meine Nächte sind voller Seufzer – vom Wind und Beautys Atem und Josephs Sorgen . Und sie wusste, dass er, der Erdkundelehrer, begreifen würde, was dieser Satz war: keine Klage, sondern ein Stück Schilderung ihrer Welt. Ihr Brief wäre eine Art Landkarte für ihn; er würde Harriet in ihrem neuen Leben sehen und hören können. Am Ende des Briefs zeichnete sie für ihn die Gegenstände, die sie am meisten mochte: ihre Hacke, den Eselpflug, den Melkschemel, das Butterfass. Zu dem Fass schrieb sie:
    Ich finde

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