Die Farbe der Träume
es so aufregend, auf die Butter zu warten. Diese erstaunliche Veränderung der Farbe! Ich glaube, mich haben schon immer alle Prozesse fasziniert, bei denen ein Ding sich in ein anderes verwandelt. Ich kann die Besessenheit der Alchimisten des Altertums gut verstehen.
Ganz allmählich füllte sich ihr Album. Zwischen den festen, steifen Seiten lagen hauchdünne, fast transparente Bögen, und manchmal betrachtete Harriet ihre Objekte durch das Seidenpapier, und dann wirkten sie, als wären sie schon fast verschwunden und Teil der Vergangenheit. Das Ahornblatt, das mitten in der Tasmanischen See auf die SS Albert heruntergesegelt war, verblasste und bröselte schon, das Etikett vom chinesischen Tee war leicht vergilbt, und die Königin-Viktoria-Briefmarken wirkten irgendwie angestaubt oder waren fleckig, als hätten sie eine beschwerliche Reise auf einem Brief hinter sich.
Auf die dritte Seite ihres Sammelalbums klebte Harriet ein Stück Kattun mit der Beschriftung »Ein Stück von unserer Wand«, einen Grundriss ihres Gemüsegartens, den spitzen, grünen Wedel einer Ti-Ti-Palme, eine braune Wekarallenfeder und eine Locke von Beautys Kopf. Sie klebte sie mit winzigen Tropfen von Lilians Porzellankleber ein. Unterdessen beobachtete sie, dass neben ihr auf der Kommode ein Spode-Teeservice, Scherbe für Scherbe, langsam wieder zusammenwuchs.
Was hätte sie wohl in ihrem alten Leben, in den zwölf Jahren als Gouvernante, in so einem Album gesammelt? Vielleicht Locken – nicht vom Kopf einer Kuh, die, im neuseeländischen Winter in einen Läufer gehüllt, so süß verrückt aussah –, sondern von den Köpfen ihrer englischen Zöglinge, Locken, die nachdunkelten, während die Kinder größer wurden, fort in Schulen geschickt wurden und sie vergaßen; Zeichnungen und Texte, auf die sie stolz waren; kleine Strickproben oder Läppchen mit Kreuzstich, die sie angefertigt hatten.
Und vielleicht eine einzelne Banknote, einen Zehnschillingschein, den Mr Melchior Gable ihr geschenkt hatte, damit sie sich Sommerhandschuhe kaufte, die sie tragen sollte, wenn sie die Bank am Tag der offenen Tür besuchte. An diesem Tag konnten die Besucher eine schöne Sammlung von Maßen und Gewichten, einige römische Münzen und frühe Beispiele von »Gables Nietundnagelfest« besichtigen, einem patentierten Messingschloss, das Diebe angeblich nicht knacken konnten. Aber Harriet war nicht unter den Besuchern gewesen. Der Zehnschillingschein hatte sich nicht auf wundersame Weise in ein Paar Handschuhe verwandelt. Mr Gables Liebesbriefe an sie waren als Stapel hinter einem gesprungenen Waschkrug verschwunden – versteckt vor der Welt und auch vor Harriet, die kein Bedürfnis hatte, sie erneut zu lesen, und die sie wenig später ins Feuer warf.
Sie hatte versucht, Melchior Gable diesen Schein zurückzugeben. Sie hatte ihn an die Bank geschickt, zusammen mit einer handgeschriebenen Ablehnung seines Heiratsantrags. Aber er war wieder zurückgekommen. Sie hatte ihren Vater gebeten, ihn an Gable zu schicken, was er getan hatte, aber erneut kam er zurück. Also bewahrte sie ihn in einer Schachtel auf und gabihn nie aus. Hin und wieder betrachtete sie ihn – dieses Symbol eines anderen Lebens, eines Reichs, das sie nicht betreten hatte. Und dann, am Tag ihrer Heirat mit Joseph Blackstone, verbrannte sie ihn.
III
Immer wenn der Esel eine Pause brauchte, grub Joseph an seinem Teich.
Er stellte sich den Teich ganz ruhig vor, als einen Ort, den der Wind kaum berühren würde und um den herum sich schon bald Wald aus dem fernen Busch aussäen würde – sofern die Samen nicht fortgeweht wurden. Obwohl er sich Norfolker Weiden vorstellte, wäre er auch mit Ti-Ti-Bäumen und Manuka-Büschen vollkommen einverstanden.
Er hatte für den Teich eine Stelle in einer Senke zwischen den Hügeln ausgesucht. Ein langer, gewundener Graben musste ausgehoben werden, durch den das Wasser aus dem Harriet-Bach in den Teich eingeleitet würde. Wie das geschehen sollte, war Joseph noch nicht ganz klar, auf jeden Fall musste es am anderen Ende wieder hinaus. Jetzt hätte er gern etwas mehr von einem Ingenieur gehabt.
In ihre Stola gehüllt, sah Lilian Joseph bei der Arbeit zu. Die Erde war hart wie Holz. Lilian betrachtete seinen gestiefelten Fuß auf dem Spaten, hörte das wiederholte Klacken der Schuhnägel gegen den Spatenrand. Obwohl Joseph sehr groß war, wirkte er in der weiten Landschaft aus gelbem Gras eigenartig unwirklich, fast wie eine Gestalt, die ihrer
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