Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Vielleicht hatte Tate Informationen über sie und wollte mit niemand anders darüber sprechen als mit Ronnie. Möglich.
»Wissen Sie was«, sagte sie zu Tate, »nach diesem langen Arbeitstag könnte ich wirklich ein Steak und ein Glas Wein vertragen.« Sie wollte den Mann allein sprechen – er sollte seine Vorsicht außer Acht lassen und sein Wissen preisgeben.
Tate machte große Augen. »Ich würde Sie gern dazu einladen«, sagte er mit einem aufrichtig wirkenden Lächeln.
Sykes jedoch lächelte nicht. Mit heruntergezogenen Mundwinkeln und gerunzelter Stirn schaute er Ronnie an. Eindringlich. Er wusste sehr gut, dass sie einen Mann, der vielleicht in einen Mordfall verwickelt war, nicht zu einem Flirt ermutigen würde. Wahrscheinlich hatte er keine zehn Sekunden gebraucht, um ihre wahren Motive zu erkennen. Anscheinend war er damit aber auch nicht glücklich.
»Wir können auf dem Weg zu dir nach Hause irgendwo anhalten und dir etwas besorgen«, sagte er, während er sich von seinem Schreibtischsessel erhob. Er griff nach seinem Mantel und nahm ihn über den Arm. Da er die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt hatte, waren seine muskulösen Unterarme zu sehen, die er jetzt anspannte, weil er die Fäuste ballte. Offensichtlich war er unruhig und besorgt.
»Das ist ja albern, ich kann Detective Sloan doch auch nach Hause bringen«, sagte Philip Tate. »Ich wollte sowieso mit ihr sprechen. Bei einem ruhigen Essen können wir uns ein bisschen besser kennenlernen.«
»Detective Sloan hat vor wenigen Tagen eine Gehirnerschütterung erlitten. Sie sollte keinen Wein trinken.«
Sykes hörte sich an wie ihr Vater. Aber seine Miene war eher die eines verärgerten, etwas eifersüchtigen Liebhabers.
Er ist nicht dein Lover. Er ist nicht eifersüchtig. Du bist ihm piepschnurzegal, du sollst ihm bloß helfen, diesen Fall aufzuklären, und möglicherweise will er dir an die Wäsche.
»Ich bin sicher, dass sie nichts Hochprozentigeres trinkt als Saft, und ich werde sie gesund und munter vor ihrer Haustür absetzen.« Philip bot Ronnie den Arm.
Diese Ritterlichkeit war sie nicht gewöhnt, aber im Moment hielt sie es für richtig, mitzuspielen. Außerdem erholte sie sich gerade von einer Kopfverletzung. Nachdem sie stundenlang am Schreibtisch gesessen und Leannes Downloads betrachtet hatte, fühlte sie sich nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen.
»Gut«, sagte Sykes, während er ihr mit eindringlichem Blick eine stumme Warnung zukommen ließ. »Ich rufe dich heute Abend noch an«, fügte er hinzu. »Oder du rufst mich an. Wenn du mit deinem … Steak fertig bist. Wenn ich nicht drangehe, leg nicht gleich auf. Manchmal lasse ich es sechs Mal klingeln, bevor ich abnehme.«
Ronnie nickte kurz. Sykes gab ihr zu verstehen, dass er wusste, dass sie Informationen wollte, kein Steak. Seine Betonung der Sechs war ein Hinweis auf die sechs toten OEP -Testpersonen. Er wusste, dass sie nicht mit Tate ausging, weil sie irgendein Interesse an dem Mann hatte, und das wollte er ihr mitteilen.
Weiter sagte er nichts. Mit seinem Schweigen ließ er sie wissen, dass er sie unterstützte, auch wenn sein angespannter Unterkiefer und die zusammengepressten Lippen ihr zeigten, dass er das nur widerwillig tat. Ronnie wusste, dass er auf ihren Anruf warten würde. Falls sie nicht anrief, würde er wahrscheinlich bei Tate zu Hause erscheinen. Und da sie ja gerade eine Glückssträhne hatte, würde er wahrscheinlich gemeinsam mit Daniels antanzen. Ihre beiden ganz persönlichen blöden rivalisierenden Ritter.
»Schönen Abend, Jeremy«, sagte sie. »Wir sprechen uns nachher noch.«
»Ja, ganz bestimmt.«
Ronnie wandte sich zum Gehen, am Arm eines Mannes, der sie nicht die Bohne interessierte. Und den, der ihr nicht aus dem Kopf wollte, ließ sie zurück. »Veronica?«
Sie drehte sich noch einmal um.
»Achte darauf, dass du dein Steak gut kaust«, sagte Sykes. »Damit du mir nicht daran erstickst.«
Ronnie lachte innerlich, während sie kokett salutierte und dann an Philip Tates Arm hinausspazierte.
*
Unter all den Veränderungen, die die vergangenen fünfzehn Monate gebracht hatten, gab es eine, an die Eddie Girardo sich einfach nicht gewöhnen konnte: allein zu essen.
Er war achtzehn Jahre lang verheiratet gewesen. Achtzehn Jahre lang hatte er das Frühstück verzehrt, das Allie für ihn und die Kinder gemacht hatte, bevor sie dann alle zur Schule oder zur Arbeit gingen. Achtzehn Jahre lang hatte er ihr bei der Zubereitung des
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