Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
dachten beide nach, über all die winzigen Puzzleteilchen, die herumwirbelten und irgendwie zu denen passen sollten, die sie am Tatort von Leannes Mord gesammelt hatten. Bisher ließen die Teile sich nicht recht zusammenfügen. Noch nicht. Aber eines Tages würden sie ein stimmiges Bild ergeben, daran zweifelte Ronnie nicht.
Sie warf einen Blick auf die Notizen, die sie sich während der Diashow gemacht hatte. »Und dann ist da natürlich das Messer.«
»Richtig.«
Es war ihnen gelungen, ein Bild herauszusuchen, auf dem auf der Mordwaffe eine winzige Gravur zu erkennen war. Nach einer hundertfachen Vergrößerung hatten sie den Markennamen lesen können. Diesem Hinweis wollten sie später nachgehen.
Das war alles. Glänzender Stoff, blank polierte Schuhe und ein Messer von einer Marke, von der selbst Ronnie schon gehört hatte und die wahrscheinlich auf Tausenden von Webseiten angeboten wurde.
Bei der Identifizierung des Mörders hatte Ryan Underwoods implantierte Kamera genauso wenig geholfen wie die Mikrokamera von Leanne Carr.
»Also, dann sollten wir uns wohl wieder an die Downloads machen«, sagte Jeremy.
»Müssen wir wohl.«
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, sodass es hochstand und ihm ein jungenhaftes Aussehen verlieh. »Ich bin jetzt schon fix und fertig, wenn ich daran denke, wie oft der Mann seine Kinder angesehen hat.«
Ronnie hörte die Emotionen in seiner Stimme und verstand ihn. Sie hatte gestern zwar nur einen kurzen Blick auf Ryan Underwoods Backups geworfen, aber seine intensiven Gefühle für seine Kinder hatten sie tief berührt. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, legte sie Sykes die Hand auf den Arm. »Geh es einfach langsam an, und wenn du mal tauschen willst, kann ich ja eine Weile übernehmen.«
Er nickte nur, riss keinen Witz, machte keine Anspielung darauf, dass in den Downloads, die sie überprüfen würde, wenigstens heißer Sex zu sehen sein würde. Nein, hier gab es nichts zu lachen, nichts konnte die Abscheulichkeit mildern. Es war viel schlimmer, als sie beide es während der Ausbildung vorausgesehen hatten.
Doch Ronnie bedauerte nicht, dass sie sich zur Teilnahme am Programm bereit erklärt hatte. Das Konzept gefiel ihr sehr gut. Die praktische Durchführung war es, die sie manchmal nachdenklich stimmte. Sie hatte zwar seit jeher großes Mitgefühl mit den Opfern von Gewalttaten gehabt, aber sie hatte sich keine Vorstellung davon gemacht, was es hieß, diese Verbrechen praktisch durch die Augen der Opfer zu sehen.
»Danke«, erwiderte Jeremy.
Sie wandten sich auf ihren Drehsesseln voneinander ab und ihren jeweiligen Arbeitsplätzen zu. Wenn sie etwas genauer betrachten mussten, benutzten sie den 3-D-Projektor. Und wenn es nötig war, unterbrachen sie ihre Arbeit, um einander zu helfen.
Allerdings fand Ronnie, es wäre nicht unbedingt nötig gewesen, dass Sykes sich umdrehte und mit ihr zusammen beobachtete, wie Leanne und Bailey es am Samstag vor dem Tod der jungen Frau wieder miteinander trieben. Anscheinend glaubte Baileys Ehefrau, er arbeite am Wochenende, aber dieses Zwischenspiel hatte in einem schäbigen Hotel stattgefunden. Wieder war der Sex scharf und ein bisschen grob, was aber beiden zu gefallen schien. Ach, ich will einfach nicht darüber nachdenken, welche Art von Sex eine Frau mochte, die ich in winzige Stückchen zerhackt gesehen habe!
Zum Glück gab Jeremy, anders als ihr Partner am Vorabend, keine einzige anzügliche Bemerkung von sich. Er schaute nur zu, machte sich Notizen und bat Ronnie an einer Stelle zurückzugehen, weil ein Auto die Sicht auf Leanne versperrte, als sie gerade vom Hotelparkplatz fuhr. Nachdem Leannes Tätigkeiten wieder normaler geworden waren – sie kaufte ein, fuhr nach Hause, fütterte ihre Fische, machte Abendbrot – , murmelte Jeremy etwas davon, wie peinlich dieser Job sein konnte – ja, allerdings – , dann drehte er sich um und machte sich ganz gelassen wieder an die Arbeit.
Als Ronnie alle Bilder von Leannes Wochenende durchgesehen hatte, sodass ihr nur noch ein Tag von der letzten Lebenswoche der Frau blieb, waren ihre Augen trocken, und sie sah alles leicht verschwommen. Ein Blick zur Uhr sagte ihr, dass es schon fast sieben war. Sie rollte mit ihrem Bürosessel zurück.
»Willst du Schluss machen?«, fragte Sykes und drehte sich zu ihr um.
»Ja. Und du?«
»Auch, denke ich. Wenn Underwood nicht gerade schlief, hat er entweder gearbeitet oder seine Frau und seine Kinder angesehen. Ich bin mit der
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