Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
als Teenager hatten sie sich dann unaufhörlich beklagt. Gelegentlich brachte ein Lieferdienst etwas, oder aus dem nahe gelegenen Naturschutzgebiet kam ein Wanderer und stapfte durch den Garten, weil er die Abkürzung zwischen dem Campingplatz und einem nahen See nehmen wollte.
Doch jetzt war niemand hier. Er war vollkommen allein, und das schon sehr lange, Tag für Tag.
»Nur du bist bei mir, mein Freund«, sagte Eddie und griff abermals zur Flasche.
Er legte den Kopf zurück, hob die Flasche und schluckte und trank sie bis auf den letzten Tropfen aus. Der Alkohol wirkte sofort, sodass die Zimmerdecke über ihm sich zu drehen schien. Eddie fragte sich, ob dieser Dr. Frankenstein, der die Bilder aus dieser verrückten Kamera in seinem Kopf betrachten würde, dieses Drehen wohl auch würde beobachten können. Oder würde er bloß die Decke sehen, weiß mit Zierleisten ringsherum, weil Allie darauf bestanden hatte? Alles war ganz normal. Wie sonst auch – nur dass die Decke sich entfernte.
Eddie fiel. Flach auf den Rücken. Krachend schlug er auf den Holzboden auf. Der Aufprall nahm ihm den Atem, und er stieß sich ordentlich den Kopf an. Er hatte sich so weit zurückgelehnt, dass die Füße unter ihm weggerutscht waren, und als besoffener alter Taugenichts, der er war, hatte er sich der Länge nach hingelegt.
Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Dann sah er etwas, das ihm eine dritte Alternative nahelegte.
Eine in Schwarz gehüllte Gestalt beugte sich über ihn, formlos, rätselhaft, als wäre sie den Schatten im Flur entstiegen. In den Händen hielt sie scharfe Gegenstände, die bösartig glänzten und die brutale Gewalt und Tod bedeuteten.
Eddie versuchte zu schreien.
Vergeblich.
15
Philip Tate hatte Ronnie zwar sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er sie zu sich nach Hause mitnehmen und dort selbst für sie kochen wollte, aber Ronnie hatte ihm klipp und klar gesagt, dass ihr ein Steak-Restaurant völlig reichen würde. Daraufhin hatte er versucht, ein Lokal auszusuchen. Doch Ronnie steckte immer noch in ihrer Uniform und hatte nicht die Absicht, erst nach Hause zu fahren und sich umzuziehen, um für einen der Fresstempel, die er normalerweise frequentierte, richtig gekleidet zu sein. Also bestand sie auf einem Steakhaus in der Nähe ihrer Wohnung. Tate junior zuckte buchstäblich zusammen, als er das hell erleuchtete Logo der Restaurantkette, eine überdimensionale muhende Kuh, erblickte.
»Glauben Sie mir, so was habe ich mir nicht vorgestellt, als ich Sie eingeladen habe.« Während sie der Kellnerin folgten, die sich durch ein Meer von Tischen schlängelte, schaute er sich im Lokal um.
»Lassen Sie sich durch das Ambiente – oder das fehlende Ambiente – nicht abschrecken. Das Essen ist super.«
Sie erreichten den Tisch, und Tate rückte Ronnie einen Stuhl zurecht. »Ich finde, die Gesellschaft ist wichtiger als die Speisekarte«, sagte er, und sein charmanter, flirtender Tonfall gab ihr zu verstehen, dass er ein affektiertes Lächeln, ein Erröten oder sonst irgendwelchen mädchenhaften Quatsch von ihr erwartete.
Ronnie aber lächelte nicht. Sie errötete auch nicht. Und mädchenhaft benahm sie sich nie.
Stattdessen kam sie, sobald er ihr gegenüber Platz genommen hatte, auf den eigentlichen Zweck ihres Zusammenseins zu sprechen. »Warum wollten Sie mich heute Abend sprechen, Mr. Tate? Haben Sie Informationen, die Sie mir nicht vorenthalten möchten?«
Er wand sich ein wenig, solche Direktheit war er offenbar nicht gewohnt. »Philip, bitte.«
»Okay, Philip. Warum sind wir hier?«
»Weil Sie mich hierher geschleift haben.«
»Ich meine, warum haben Sie mich eingeladen?«
»Kann ich nicht einfach ein Interesse daran haben, Sie besser kennenzulernen?«
»Kommen Sie, wir wissen doch beide, dass ich nicht Ihr Typ bin.«
Sein Gesichtsausdruck wurde misstrauisch. »Woher wissen Sie, wer mein Typ ist?«
»Ich habe Ihren Typ doch kennengelernt, erinnern Sie sich? Ihren Golfkumpel?«
Wenn er einen Drink in der Hand gehabt hätte, hätte er sich wahrscheinlich von oben bis unten damit bekleckert. Unwillkürlich dachte Ronnie, wenn dieser Mann mit seinen sexuellen Vorlieben so hinter dem Berg hielt, hatte er doch tiefgreifendere Probleme, als bloß verwöhnt zu sein.
»Ich … woher … «
»Ernsthaft? Sie reden zwar das Blaue vom Himmel herunter, aber es ist ziemlich offensichtlich.«
Er wirkte verblüfft. »Sie sind eine unglaublich gute Beobachterin«, murmelte er. »Ich
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