Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Woche größtenteils durch.«
Es gab Ronnie einen Stich ins Herz, als sie an die vaterlosen Kinder dachte. Sie überlegte, ob Tate oder die Regierung Ryan Underwoods Witwe einen Teil seiner Downloads zukommen lassen würde. Wenn die Kleinen älter waren, könnte es ein großer Trost für sie sein, sich mit den Augen ihres Vaters zu sehen. Sie könnten dann selbst seine zärtlichen Gefühle für sie erleben, strahlend und lebendig. Diese Liebesbotschaften von einem Toten, von dem Vater, an den sie sich wahrscheinlich gar nicht erinnerten, würden etwas ganz Besonderes sein. Ronnie nahm sich vor, Tate darauf anzusprechen und ihm anzubieten, ein paar besonders schöne Momente herauszusuchen. Einige davon hatte sie schon gesehen, als sie Sykes über die Schulter geguckt hatte.
»Ich glaube, ich kann mir das hier im Moment keine einzige Minute mehr ansehen«, murmelte Ronnie. Erfolglos versuchte sie, ein Gähnen zu unterdrücken. »Ich habe nur noch einen Tag übrig. Wenn ich da nichts finde, muss ich in Leannes Downloads weiter zurückgehen. Mist, ich hatte gehofft, ich würde in ihren letzten sieben Tagen irgendwas Handfestes finden.«
Auf Leanne Carrs Festplatte befanden sich noch viele weitere Wochen. Ronnie hoffte bloß, dass sie diesen Fall lösen konnte, ohne die Bilder von mehreren Monaten durchgehen zu müssen, vielleicht sogar bis zu dem Zeitpunkt, als Leanne den OEP -Chip eingesetzt bekam.
»Du hoffst , dass du so was findest? Was redest du denn da – im Gegensatz zu mir hast du doch schon so einiges Handfestes gefunden.«
Ronnie zog eine Braue hoch. »Soll das eine Anspielung auf die Größe von Baileys Schwanz sein?«
Sykes brach in schallendes Gelächter aus, und die Spannung im Raum, die sich während der langen Arbeitsstunden aufgebaut hatte, ließ nach. Sie brauchten beide diese mentale Auszeit, und Ronnie bereute ihren plumpen Witz nicht.
»Mensch, wenn der dich schon beeindruckt … «, konterte Jeremy, und seine Augen blitzten vor boshaftem Vergnügen.
»Ja, träum nur weiter«, gab Ronnie zurück. Denn wenn Sykes mehr in der Hose hätte als Bailey, dann wäre er jetzt in Los Angeles und würde Pornofilme drehen.
Igitt. Pornofilme. Ronnie war absolut nicht in der Stimmung für eine weitere Folge der Leanne-und-Bailey-Serie.
»Ich glaube, ich nehme die Daten mit und sehe mir den letzten Tag bei mir in der Wohnung an.«
Sykes hob eine Mikrodisk hoch. »Brauchst du die?«
Mit einem Grinsen antwortete sie: »Nee, hab ich schon kopiert.«
Er grinste zurück. Offenbar dachte er an ihre Heimlichkeiten vom Vorabend, als sie die Daten geklaut hatte, die er ihr eigentlich hatte übergeben wollen.
»Ich werde es genauso machen. Hab in meinem Hotelzimmer ohnehin nicht viel anderes zu tun.«
Ronnie schluckte, leckte sich über die Lippen und wandte sich ab. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was Sykes vielleicht tat, um sich in seinem Hotelzimmer zu beschäftigen. Während sie ihren Computer herunterfuhr, meinte sie, ihn leise lachen zu hören, als wisse er genau, warum sie das Gespräch so abrupt beendet und ihm den Rücken zugekehrt hatte.
»Ach, Sie sind ja beide noch da«, sagte eine Stimme.
Philip Tate betrat den Raum. Der Manager trug einen tadellosen anthrazitgrauen Anzug, der seine hochgewachsene Gestalt gut zur Geltung brachte und seinen dunkelgrünen Augen etwas Verhangenes gab. Anscheinend war heute kein Golftag.
»Wir wollten gerade Feierabend machen«, erklärte Sykes.
»Ja, ja, selbstverständlich.« Tate klang ein bisschen zerstreut.
Er verschränkte die Arme, lehnte sich an den Türrahmen und richtete sich dann wieder auf. »War ihr Tag produktiv?«
»Oh, unbedingt«, antwortete Sykes mit unbekümmertem Lächeln, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Tate und sein Sohn stellten ihnen zwar den Arbeitsraum zur Verfügung, und sie hatten auch die OEP -Chips geliefert, aber schließlich wurde hier in einem Mordfall ermittelt. Und davon verstand Philip Tate ungefähr genauso viel wie von den Experimenten seines Vaters. Nämlich gar nichts.
»Bravo«, sagte Philip Tate mit einem Lächeln. »Freut mich zu hören, dass eine der Kopfgeburten des Alten für Sie von Nutzen war.«
Doch sein Lächeln wirkte gezwungen. Er war nicht so verbindlich und selbstsicher wie sonst und hatte offensichtlich etwas auf dem Herzen. Ronnie überlegte, ob er das vielleicht nur vor Sykes nicht äußern wollte.
Da fiel ihr etwas ein: die sechs Männer, die »eines natürlichen Todes« gestorben waren.
Weitere Kostenlose Bücher