Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Wieder erhöhte Ronnie das Tempo. Sykes sagte kein Wort.
Zehn Minuten später. Zurück im Büro. Leanne an ihrem Schreibtisch. In der nächsten halben Stunde arbeitete sie. Ihre Hände auf der Tastatur, sie tippte wie eine Verrückte, machte Notizen, telefonierte, sprach mit lächelnden Kollegen, die den Kopf zur Tür hereinstreckten. Arbeitsreicher Tag, fleißige Frau. Ja, eine energiegeladene, fröhliche Frau, nach der Ausstrahlung dieser Bilder zu schließen.
»Sie haben sich alle auf die Feierlichkeiten gefreut«, sinnierte Ronnie.
»Ganz bestimmt. Sie hatten ja lange darauf hingearbeitet.«
Elf Uhr. Leannes Chef kam herein, ganz so, wie er es in der Vernehmung gesagt hatte. Sie sprachen kurz miteinander, Wilders lächelte breit. Dann legte er ihr mit ernster Miene die Hand auf die Schulter. Sah aus, als gratuliere er seiner Assistentin. Bedankte sich bei ihr. Ließ ihr all die Streicheleinheiten und die Ehre zukommen, die ein guter Chef einer hervorragenden Mitarbeiterin zuteil werden lässt. Diese Situation hatte eindeutig nichts Privates.
»Verdammt«, brummelte Ronnie. »Ich hatte da eigentlich einen Verdacht gehabt.«
»Das ist Wilders? Der Chef der Phoenix-Gruppe?«
»Ja. Kennst du ihn noch nicht?«
»Nein, aber ich habe auf dem Flug hierher die FBI -Akte über ihn gelesen.«
»Das FBI hat eine Akte über ihn angelegt?«
Sykes hob eine Augenbraue. »Glaubst du wirklich, ein Unternehmer, der den Auftrag erhält, das Weiße Haus wieder aufzubauen, würde uns nicht interessieren?«
»Ach so. Und er ist grundsolide?«
»Sah so aus. Reiches, verwöhntes Ex-Senatorensöhnchen aus Florida. Sein Großpapa hat ein internationales Unternehmen gegründet, das exklusive Jachten baut.«
Das erklärte vieles.
»Mit Geld von seiner Familie hat er ein eigenes globales Bauunternehmen gegründet. Reich geheiratet. Wurde sehr erfolgreich und hat dann diesen Job an Land gezogen, angeblich, weil sein Daddy, der schon im Ruhestand war, in Washington Beziehungen hatte.«
»Nicht gerade der Typ, der im Keller des Weißen Hauses seine Sekretärin abschlachtet.«
»Theoretisch jedenfalls nicht, nein.«
Ronnie seufzte und wandte sich wieder den Bildern zu.
Weiteres Geplauder, weiteres Tippen. Leanne druckte etwas aus, dann aß sie ein Joghurt und eine Banane, arbeitete dabei aber mit einer Hand weiter. Dann eine Frau, in der Ronnie nach ihrem kürzlichen Besuch im Phoenix-Gebäude eine der Empfangsdamen wiedererkannte. Sie lächelte. Redete. Winkte zum Abschied.
Jetzt war es nach eins. Die Zeit wurde knapp. Bald musste etwas passieren.
Wieder ein Blackout. Wieder dauerte er etwa sechs Minuten.
Danach zeigten die Bilder, wie Leanne sich schön machte. Sie schaute in einen Handspiegel, während sie ihr Makeup auffrischte, zupfte an einer verirrten Haarsträhne, schürzte die Lippen.
Hmm.
»Wen erwartet sie denn wohl?«, fragte Sykes.
»Oder wo will sie hin?«
Das lächelnde Opfer rieb sich Lippenstift von den Zähnen. Zupfte die Frisur zurecht.
»Haben wir etwas verpasst?«, fragte Ronnie. Hatte Leannes Mörder vielleicht während des Blackouts angerufen? Hatte er sie gebeten, sich zu einer Art Rendezvous im Weißen Haus mit ihm zu treffen? Das würde natürlich heißen, dass er ein hoher Geheimnisträger war, denn sonst wäre ihm zu diesem Zeitpunkt der Zutritt nicht gestattet worden.
Es sei denn, er hat die geheimen Tunnel benutzt.
»Ich weiß nicht. Vielleicht macht sie sich auch einfach für die Feier hübsch.«
Ronnie checkte den Zeitpunkt. 12:55 Uhr. »Ja, kann sein. Aber dafür ist es noch ein bisschen früh. Ihr Chef hatte Daniels gesagt, er habe etwa um viertel vor zwei mit ihr gerechnet.«
Vielleicht war es doch nicht zu früh, um sich auf den Weg zu dem großen Ereignis zu machen. Aber Leanne schien eher zu denen zu gehören, die bis zum letzten Moment im Büro blieben und die Stellung hielten, immer bereit, notfalls Feuerwehr zu spielen. Doch machte sie sich wirklich für den Festakt schick? Oder erwartete sie Besuch? Vielleicht wollte jemand ihr Lunch bringen?
Leanne stand nicht auf und verließ den Raum. Nein, als sie sich nachgeschminkt hatte, machte sie sich wieder an die Arbeit und tippte eine E-Mail. Ronnie konnte das Bild anhalten und den Text lesen. Nichts von Bedeutung.
Wieder ein Blackout. »Verdammt noch mal«, murmelte Ronnie.
Das war bisher der längste – fast zehn Minuten.
»Keine Panik«, beruhigte Jeremy sie.
Sie trank ein paar Schlucke Wasser. Ohne in Panik zu geraten.
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