Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Boden und schüttelte ab und zu ärgerlich den Kopf. Sie erreichte den streng abgesicherten Eingang, drückte einige Zahlen und presste den Oberarm gegen einen Bildschirm. Der Scanner las ihren ID -Chip, und die Tür öffnete sich.
Als Ronnie sich vorbeugte, wurde ihr klar, dass Sykes neben ihr das Gleiche tat.
Es war nach zwei. Leanne zögerte nicht, sie ging rasch den Flur im Erdgeschoss entlang. »Zu den Treppen. Sie ist ganz allein runtergegangen«, überlegte Ronnie.
»Bis ganz nach unten?«
Wieder schauten sie zu. Die junge Frau blieb gerade lange genug auf dem Treppenabsatz stehen, um die Sicherung umzulegen und so das Licht einzuschalten. Als Ronnie das am nächsten Abend versucht hatte, hatte es nicht funktioniert. Leanne ging weiter.
»Ja, bis ganz nach unten.«
Im zweiten Untergeschoss schaltete Leanne ebenfalls das Licht ein, trat in die Mitte des Ganges und blieb stehen. Sie schaute in die eine Richtung, dann in die andere. Es gab nichts zu sehen, außer den Maschinen, die die Arbeiter, die an diesem Tag keinen Zutritt hatten, hier hatten stehen lassen. Leanne war ganz allein.
Sie sah auf die Uhr.
Plötzlich ging das Licht aus.
Pechschwarze Finsternis. In diesem Augenblick musste ihr Herzschlag sich beschleunigt haben. Sie musste nervös geworden sein, selbst wenn sie noch nicht erkannt hatte, dass sie in Gefahr war. Was sie wohl dachte? Stromausfall? Kurzschluss?
Aber sie blieb gefasst. Sie zog ihr Handy aus der Handtasche, schaltete es ein und hob es hoch, sodass ihr das Display als Beleuchtung diente.
Da geschah es.
Auf einem Bild schaute sie noch zur Treppe hinüber, auf dem nächsten starrte sie an die Decke. Es war 14:09 Uhr. Soeben hatte der Täter sie mit der Elektroschockpistole oder mit einem anderen Gerät bewegungsunfähig gemacht. Ihre elektrischen Impulse spielten verrückt, und sie war zu Boden gestürzt.
»Er hat den Strom ausgeschaltet, sich angeschlichen und ihr von hinten den Elektroschock verpasst. Sie hat ihn nicht gehört«, sagte Sykes.
Ja, genau das hatte er getan. Er hatte sich im Dunkeln gehalten, hatte ihre Blickrichtung gemieden. Sie hatten kein bisschen von ihm zu sehen bekommen. Ronnie scrollte sogar zurück, um zu sehen, ob vielleicht eine ganz schwache Spiegelung auf dem Handydisplay zu erkennen war, wurde aber enttäuscht.
Auf mehreren Bildern starrte das Opfer an die rohe Decke des zweiten Untergeschosses. Leanne lag auf dem Rücken, bewegungsunfähig. Aber das Bild veränderte sich jede Sekunde ein wenig, so als würde sie unkontrolliert zucken.
Endlich, nach einer ganzen Minute, stoppte Ronnie die Diashow. Sie stand auf, ging in den Flur zum Wasserspender und ließ ihren Pappbecher wieder volllaufen. Mit wenigen Schlucken leerte sie ihn, bückte sich und füllte ihn erneut. Sie brauchte nicht nur die eisige Kälte der Realität, sondern auch eine kurze Pause von ihrer Tätigkeit.
Sie hatten nichts gefunden, was die Vorgeschichte des Überfalls erhellt hätte.
Das hieß, dass sie sich mühselig weiter vorankämpfen mussten.
Sie hatten die schrecklichen letzten zehn Minuten von Leannes Leben mitangesehen, als sie schon ein verstümmeltes menschliches Wrack war.
Jetzt mussten sie sich in allen Einzelheiten anschauen, was der Mörder ihr in den sechzig Minuten davor angetan hatte.
11
Jeremy Sykes war kein Sexist.
In den sechs Jahren, die er jetzt für das FBI arbeitete, hatte er Kolleginnen nie anders behandelt als Kollegen. Respekt, Kooperation und Höflichkeit waren für ihn selbstverständlich, ganz gleich, mit wem er es zu tun hatte. Er hätte sich lieber die Pulsadern aufgeschnitten, als einer Kollegin zu vermitteln, dass er sie allein aufgrund ihres Geschlechts für unfähig hielt, ihren Job zu machen.
Aber das hier … du lieber Himmel.
Es fiel ihm schwer, sich zusammenzunehmen. Denn ein Teil von ihm wollte Detective Veronica Sloan vom Stuhl heben, sie aus diesem stickigen kleinen Computerraum hinaustragen und nach Hause ins Bett bringen.
Na ja, er hatte sie schon lange mit nach Hause ins Bett nehmen wollen. Seit ihrer ersten Begegnung. Aber dieser Impuls heute Abend hatte nicht das Geringste mit sexuellem Verlangen zu tun. Er wollte sie einfach verstecken, sie an einen behaglichen, sicheren Ort bringen, die Decke um sie herum feststopfen und ihr gut zureden, dass sie ausruhen und gesund werden solle. Sie sollte keine Sekunde mehr an die grauenvollen Qualen denken, die ein Ungeheuer einer unschuldigen Frau namens Leanne Carr zugefügt
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