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Die Farbe Des Zaubers

Die Farbe Des Zaubers

Titel: Die Farbe Des Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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spielte ihre Rolle gut genug. War Daphne diese Demütigung wert?
    Das Fenster öffnete sich ganz, und der Nachtwächter streckte das Gesicht hindurch. Dann leckte er sich die Lippen und grinste sie an. »Nun, ich hab' ein Feuer, das wird dich wärmen, Süße. Durch und durch wärmen wird es dich!«
    Er schloß das Fenster. Chenaya hörte, wie sich der schwere Riegel innen am Tor hob, gleich darauf schwang es auf.
    Sie erhob sich rasch und packte ihr Schwert. Nur zu gut erinnerte sie sich an den lüsternen Ausdruck seines Gesichts. Er stieß sie ab. Sie empfand Ekel vor der Rolle, die sie hatte spielen müssen, um ihn zu überlisten. Außerdem fror sie erbärmlich. Aus diesen Gründen schlug sie viel härter zu, als nötig gewesen wäre, zu Daxus' Glück jedoch nur mit dem Knauf.
    Rasch zerrte sie ihn hinein, dann holte sie sich ihre Kleidungsstücke. Sie schloß das Tor, nahm sich kurz die Zeit, den Umhang umzuwerfen, dann beugte sie sich über den Bewußtlosen. Sie löste die Kette von ihrem Gürtel und tastete nach der nadelfeinen Sonde im Ärmel ihres Kittels.
    Sie arbeitete im Feuerschein. An einem Ende der Kette waren zwei winzige stumpfe Klammern mit einem Stück feiner Schnur zusammengehalten, die so lang war wie die Kette. Die steckte sie in den rechten Nasenflügel des Nachtwächters. Mit der Sonde schob sie sie dem Mann in die Nase hinein. Chenaya wußte, wann die Klammern richtig angebracht waren. Vorsichtig trennte sie Kette und Schnur und begann behutsam zu ziehen. Die Sonde sorgte dafür, daß die Kette an Ort und Stelle blieb, doch sie verdrehte sich, als sie an der Schnur zog. Augenblicke später kam die Umwickelung frei, und die Klammern sprangen auf. Sie zog leicht an der Kette. Sie war fest verankert.
    Das war eine Methode, mit der man in Ranke aufsässige Sklaven und Verbrecher gefügig machte. Ohne Betäubung war diese Prozedur sehr schmerzhaft. Daxus hatte Glück, daß er ohnmächtig war. Es würde ihm jedoch keineswegs gefallen, sobald er wieder zur Besinnung kam.
    Sie mochte den Kamelgeruch nicht. Es war Zeit zu gehen. Sie brauchte ihn nun nur noch unbemerkt nach Landende zu bringen. Sie wickelte das freie Kettenende um die Hand und machte sich daran, ihn auf die Schulter zu heben.
    Das Tor schwang ein Stück auf. Es war Dayrne.
    »Was machst du hier?« flüsterte sie zornig und mit hämmerndem Herzen. Da sie beide Hände für Daxus gebraucht hatte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, nach ihrem Schwert zu greifen.
    »Ich decke Euch den Rücken«, antwortete er ruhig. »Zieht den Rest Eurer Sachen an. Ich trage ihn.«
    Sie errötete tief. Zweifellos hatte er mehr als nur ihren Rücken gesehen. Und sie war so in Eile gewesen, mit Daxus weiterzukommen, daß sie nicht daran gedacht hatte, mehr als den Umhang anzuziehen. Sie ließ die Kette los und beeilte sich, in ihre Sachen zu schlüpfen. Aber es ärgerte sie, daß sie Dayrne nicht bemerkt hatte.
    »Herrin«, sagte er grinsend. »Ich stahl mich bereits durch Straßen, als Ihr noch mit Puppen spieltet.«
    »Aber du wurdest erwischt«, erinnerte sie ihn von oben herab.
    Er nickte. »Irgendwann wird jeder mal erwischt.«
    Sie plagte sich in die Stiefel und deutete auf Daxus, der Anstalten machte, sich zu rühren. »Wir wollen uns lieber heute Nacht nicht erwischen lassen. Dieses Bündel da ist für Daphne.«
    Dayrnes Faust schickte Daxus ins Reich der Träume zurück.
    »Lady Chenaya, Tochter von Lowan Vigeles, Kusine Seiner Hoheit Prinz Kadakithis.«
    Lu-Broca, der Palastverwalter und heute Zeremonienmeister, lächelte höflich, als er den Festgästen ihre Ankunft kundtat. Er verbeugte sich als Geste der Begrüßung, wofür sie ihm mit einem Nicken dankte.
    Fünf Stufen führten vom Eingang hinunter in den Ballsaal. Sie nahm sie langsam, ließ den Blick unmerklich über die Festtafeln schweifen, über die Musiker und Tänzer und über die Gesichter, die sich ihr zugewandt hatten.
    Die bessere Gesellschaft der Stadt hatte sich versammelt; Rankaner Seite an Seite mit Ilsigern und Beysibern, etwas, das auf der Straße selten vorkam. An der gegenüberliegenden Seite des Saales unterhielt sich Hakiem, der ehemalige Geschichtenerzähler, der zum Ratgeber der Beysa aufgestiegen war, mit mehreren Gästen. In der Nähe, mit einem Ohr offenbar dem Gespräch lauschend, stand der Mann, den man Lastel nannte. Chenaya wußte wenig von ihm, außer daß er allem Anschein nach sehr reich war. Viele andere bekannte Gesichter erspähte sie, unter ihnen Gonfred,

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