Die Farbe Des Zaubers
alle anderen Kräfte, die das Reich zu zerstückeln suchten. Zwar war die fischäugige Verführerin subtiler, geduldiger, aber es blieb trotzdem rankanisches Land, auf das sie aus war, auch wenn es sich nur um dieses Höllenloch, handelte, die sich Freistatt nannte.
Chenaya holte tief Atem und achtete nicht auf die Tränen, die ungeweint in ihren Augen brannten. »Ich habe es bereits verhindert, mein kleiner Prinz.«
Kadakithis wich noch mal einen Schritt zurück. Sein Blick schien sie mit einer Drohung zu durchbohren, wie sie es von ihm nie erwartet hätte. Als wäre das das Stichwort, dröhnte Lu-Brocas Stimme nun durch den großen Saal — er kündigte die neu eintreffenden Gäste an. Chenaya wirbelte herum. Der Zeremonienmeister war bleich, sein Gesicht verstört. Sie hielt Ausschau nach Shupansea und Molin Fackelhalter. Sie hatte in der Nähe sein wollen, um ihre Gesichter zu sehen. Nun erschien es ihr nicht mehr so wichtig.
»Ihre Kaiserliche Hoheit, Daphne, Prinzessin von Ranke, Gemahlin des Prinzen Kadakithis.« Lu-Broca schluckte. »Und Begleitung.«
Alle Farbe schwand aus Kadakithis' Gesicht, als er sich einen Weg durch die plötzlich völlig stille Menge bahnte. Chenaya folgte ihm, und die Beysa und Molin schlossen sich ihnen sofort an. Die Beysiberin bedachte sie mit einem Blick voller Haß. Chenaya hatte darüber nachgedacht, was sie in diesem Fall machen würde: lächeln, die Zunge herausstrecken, unschuldig mit den Wimpern klimpern, irgend etwas, um die Frau zu verhöhnen, ihr zu zeigen, daß wieder einmal sie als Siegerin hervorgegangen war. Doch statt dessen senkte sie jetzt den Blick.
Mit großer Anmut schwebte Daphne die Stufen herunter. Ihre Rechte ruhte hoheitsvoll auf Dayrnes muskulösem, nacktem Arm. Ihre Linke hielt das Ende von Daxus' Kette, den sie wie ein exotisches Schoßtier führte.
Rosanda hatte die Prinzessin zurechtgemacht und sich dabei selbst übertroffen. Daphne war eine strahlende Schönheit. Sie war in Wolken himmelblauer Seide gehüllt, die ihre Blutergüsse verbargen. Ihr Haar lag in Löckchen um den Kopf. Die Lider waren schwarz, doch dezent nachgezogen, ihre Wangen mit einem Hauch von Rouge betont. Chenaya konnte ihr leichtes Parfüm riechen. Besonders gut stand ihr der Reif mit dem Strahlenkranz, der auf ihrer Stirn glomm.
»Für diese Kränkung werdet Ihr büßen!« knirschte Shupansea.
»Paßt jetzt lieber auf, Fischgesicht«, entgegnete Chenaya gleichmütig. »Ihr kennt das volle Ausmaß meiner Kränkung noch nicht.« Sie blickte auf die Kleinere hinab und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich möchte , daß Ihr sie gebührend würdigt.«
Daphne erreichte die unterste Stufe. Sie und Kadakithis blickten einander einen langen Moment an. Der Prinz streckte die Hand aus, um ihre zu ergreifen. Aber Daphne ließ Dayrnes Arm nicht los. »Hallo, Gemahl.« Sie sprach sanft, doch laut genug, daß alle es hören konnten. »Überrascht?«
»Ja, ja!« stotterte Kadakithis. »Sehr!«
»Solltest du auch sein.« Ihre Stimme war kühl, doch höflich. »Hast du dir die Mühe gemacht, eine Suche anzuordnen? Hast du mich gesucht oder dir Gedanken über mein Los gemacht?«
Auch Chenaya hatte sich Gedanken gemacht, weshalb ihren Vetter das Verschwinden seiner Gemahlin offenbar nicht berührte. Wie, fragte sie sich, hatte Shupansea ihn so verhexen können? Trotzdem verkrampfte sich ihr Herz, als ihr kleiner Prinz verlegen den Kopf senkte.
Daphne nahm die Hand von Dayrnes Arm und entließ ihn mit einem Kopfnicken. Er machte ein paar Schritte rückwärts und blieb neben Daxus stehen. Daphne schwebte an ihrem Gemahl vorbei zu Shupansea.
»Ihr seht tatsächlich wie ein Karpfen aus, wie man mir versicherte«, sagte Daphne amüsiert. Shupansea warf erneut einen haßerfüllten Blick auf Chenaya. »Vielleicht stammt ihr von Fischen ab.« Daphne hielt inne, um den Blick über die Gesichter ringsum schweifen zu lassen. Niemand gab auch nur einen Laut von sich, doch alle drängten näher heran, um ihre Worte zu hören. Sie wandte sich wieder an die Beysa. »Doch was immer Ihr auch sein mögt, eines seid Ihr nicht und werdet es auch nie sein!. Ihr seid nicht Kadakithis' Gemahlin. Dieser Titel kann Euch nie gehören. Scheidung ist bei den oberen Familien Rankes verboten.«
Shupansea betrachtete die Jüngere kalt, unbewegt, stumm.
Erbarmungslos fuhr Daphne fort: »Oh, ich beabsichtige nicht hierzubleiben, ich werde Euch also nicht im Weg sein. Ich bin gut in Landende untergebracht bei Lowan
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