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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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sagte sie, ohne ihren Ton zu ändern. »Snobs hassen Skandale wie die Pest.«
    Ich griff nach ihrer zierlichen Hand und drückte sie stumm, denn das Gefühl der Demütigung und Kränkung saß wie ein Kloß in meiner Kehle.
    »Du hättest Anwältin werden sollen statt Galeristin, Annabel«, sagte Vater leise lachend. »Mach dir keine Sorgen, Ruby, du wirst das Halbjahr an der Barnard-Highschool fertig machen – es sind nur noch zwei Wochen.« Vater wischte eine Träne von meiner Wange. »Ein neuer Anfang für dich und vielleicht ein Neubeginn für unser Land«, sagte er beschwingt.
    »Wollen wir’s hoffen.« Mutter seufzte. »Ruby wird schon zurechtkommen, aber ich fürchte, bis wir friedliche Verhältnisse in diesem Land haben werden, ist es noch ein weiter Weg.« Sie warf einen Blick auf den leeren Stuhl, auf dem Julian immer gesessen hatte, und schüttelte besorgt den Kopf. »Ich hoffe inständig, dass es Julian gut geht.«
     
    Aber Julian ging es nicht gut.
     
    Kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, weckten mich Mutters angstvolle und verzweifelte Klagelaute. Es war ein Ton, wie ich ihn von Mutter in all meinen siebzehn Jahren noch nie gehört hatte.
    »Warum? Warum? WARUM?«, rief sie. Ich hörte, wie ihre Fäuste auf etwas Hartes schlugen.
    Von meinem Bett aus sah ich das Bild, die Möwe über den Schornsteinen von Soweto, den hoffnungsvollen Jungen, der zu ihr emporblickte, und ich wusste, dass es um Julian ging. Ich brachte es nicht fertig, aufzustehen und zu fragen, was passiert sei. Ich war nicht bereit für eine schreckliche Wahrheit. Also blieb ich im Bett liegen, bis Vater kam und mir die Nachricht überbrachte.
    »Sie haben ihn erwischt. Der verdammte Kriminalpolizist Groenewald und seine Dreckskerle!«
     
    Bei Tagesanbruch hatte Vater einen Anruf von einem seit vielen Jahren verlässlichen geheimen Informanten bekommen: Julian und sechzehn weitere ANC-Mitglieder waren nahe der Grenze zu Mosambik geschnappt worden und wurden als politische Gefangene festgehalten. Man brachte sie gerade nach Johannesburg zurück, wo sie im Diepkloof-Gefängnis eingesperrt werden sollten. Sie waren alle als Wanderarbeiter verkleidet zwischen den Tieren in einem geschlossenen Viehtruck versteckt gewesen. Diese Trucks wurden sonst nur selten durchsucht, aber die Gruppe um Johann hatte von Anfang an keine Chance. Eine Eliteeinheit der Sicherheitspolizei war den siebzehn Männern und Frauen schon ab Johannesburg gefolgt. Eine Woche später hieß es in den Zeitungen, dieser Sieg sei nur der unerschütterlichen Beharrlichkeit eines entschlossenen Mannes bei der Kriminalpolizei zu verdanken. Henrick Groenewald.
     
    Niedergeschlagen saß Vater auf meinem Bett, und während er mir von dem Viehtransporter und den verkleideten Wanderarbeitern erzählte, stellte ich mir das höhnische Grinsen auf Groenewalds Gesicht vor: wie er Julian entdeckte und ihn zwischen den muhenden Kühen herauszog, von der mit Mist beschmutzten Ladefläche herunter, und wie er mit seinen kalten grauen Augen Julians Arbeiterkleidung musterte.
    »Nicht ganz der Empfang, den du gewöhnt bist, nicht wahr, du Künstlerboy in Nobelhosen?«, hatte er vielleicht gesagt, und ich malte mir aus, wie er den Kuhmist von seinen Stiefelsohlen an Julians Hose abwischte.
    Nach seinem kurzen Bericht klopfte Vater auf meine Bettdecke, dann ging er. Er wollte versuchen, vielleicht telefonisch etwas für Julian und die anderen inhaftierten ANC-Mitglieder zu erreichen.
    Ich dachte an den Tag, als ich Julian zum ersten Mal begegnet war. War das erst vor ein paar Monaten gewesen? So vieles hatte sich in so kurzer Zeit geändert in meinem Leben.
    Während ich zusah, wie die Sonne immer kräftiger durch mein Fenster schien, begriff ich etwas: Das Leben war bittersüß, gut und schlimm, vollkommen und fehlerhaft, alles zur gleichen Zeit, und unsere Aufgabe war es, uns auf beiden Seiten dieses Spektrums zu behaupten und unser Bestes zu geben. Langsam formte sich etwas in mir und sank dann wie ein Bleigewicht, tiefer und tiefer, bis es sich auf dem Meeresgrund meiner Seele niederließ. Ich fühlte mich nicht mehr plump und schwer. Plötzlich war eine undefinierbare Kraft in mir, die mir das Gefühl gab, dass ich an etwas gebunden war, an etwas Größeres als all das, was auf der Welt dort draußen existierte. Zum ersten Mal fühlte ich mich fest in mir selbst verankert.
     
    Es war gut, dass ich diesen gewaltigen Ruck erfahren hatte, denn ich weiß nicht, wie ich sonst die

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