Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
Vom Netzwerk:
Minuten zu Hause.«
    »Okay«, mehr brachte ich nicht heraus.
    »Und sag Johann, er muss sofort unser Haus verlassen. Es ist zu gefährlich. Sperr hinter ihm alle Türen ab und lass niemanden mehr herein.« Bevor er auflegte, sagte er noch hastig: »Ach, und Ruby: Ich habe vergessen, ihm zu danken. Vermutlich hat er mir das Leben gerettet.«

28
    WIE habe ich es fertiggebracht, mich von Johann zu verabschieden? Wie konnte ich unserem Haus, unserem Leben und allem, was mir vertraut war, mit einem Wimpernschlag Adieu sagen? So schnell musste es nun gehen. So abrupt endeten meine siebzehn Jahre in Johannesburg, Südafrika.
    Ich weiß nur, dass ich Johann festhielt, dass wir weinten und einander schworen, uns ganz bestimmt wiederzusehen. Wir versicherten einander, dass Raum und Zeit nichts an unseren Gefühlen würden ändern können, egal, wie groß die Entfernung zwischen uns sein und wie lange die Trennung dauern würde. Ich weiß, dass ich mich am Telefon hastig und tränenreich von Loretta verabschiedete, wir dankten den Sternen, dass wir einander getroffen hatten und so schnell Freundinnen geworden waren, fast als hätten wir geahnt, dass uns nicht viel Zeit bleiben würde. Onkel D und Thandi konnte ich nicht mehr Lebwohl sagen. Es blieb einfach keine Zeit. Am schwersten aber wurde mir der Abschied von dem Menschen, von dem getrennt zu werden ich am allerwenigsten erwartet hatte.
     
    Nachdem Johann gefahren war, schloss ich die Türen ab und rannte auf wackligen Beinen die Treppe hinauf, um in aller Eile ein paar Sachen zusammenzusuchen. Ich hatte keine Zeit für Überlegungen, welche Klamotten, Haarspangen oder Ohrringe ich am liebsten mitnehmen würde. Schuhe, einen Schal, zwei Hosen ein paar Tops und eine Jacke warf ich in eine Sporttasche, Toilettensachen in einen kleinen Plastikbeutel mit Reißverschluss. Das waren alles Dinge ohne besondere Bedeutung, notwendig eben, damit ich auf dem Weg, der vor mir lag, etwas zum Anziehen und zum Waschen haben würde.
    Eines aber würde ich ganz bestimmt nicht zurücklassen. Das musste ich bei mir haben, immer und bei jedem Schritt meiner Reise ins Unbekannte.
    Vorsichtig nahm ich den schweren Rahmen von der Wand und hebelte mit einer Schere die Rückwand heraus. Nachdem ich behutsam die Leinwand vom Glas gelöst hatte, lag das Bild nackt und verletzlich in meinen Händen. Die Farben wirkten sogar lebhafter als hinter Glas, die Malkreide in der Hand des kleinen Jungen leuchtete kräftiger.
    »Dich nehme ich mit«, sagte ich leise, und Tränen liefen mir über die Wangen. Vorsichtig rollte ich das Bild zusammen und wickelte ein blaues Band darum. Das war das einzig Wichtige, was ich mitnehmen würde, wenn wir ein paar Stunden später im Schutz der Dunkelheit unser Haus verlassen und in die kalte Nacht hinausgehen würden.
     
    Ich hörte das Quietschen der Reifen, als Mutters champagnerfarbener Jaguar in die Einfahrt brauste. Vaters Citroën folgte wenige Sekunden danach. Aus meinem Zimmerfenster sah ich, wie die beiden eilig über die Eingangstreppe liefen. Ich rannte ihnen entgegen, als Vater die Haustür öffnete. Wir hielten uns fest umschlungen, unser kleiner Dreierkreis. Eine Weile standen wir so, bis sich Mutter mit fleckigem Gesicht und rot geränderten Augen aus dem Kreis löste.
    »Kommt«, sagte sie leise. »Ich muss euch etwas sagen.«
    Vater und ich gingen hinter ihr her ins Wohnzimmer. »Wir haben nicht viel Zeit, Ruby-Liebling, mein geliebter David.« Sie sah uns forschend an. Ihre Hände huschten fahrig vom Hals zu den Wangen, über die lose Haarsträhnen hingen.
    »Wir sind eine sehr ungewöhnliche Familie, nicht wahr?« Ihre Stimme war brüchig. »Und ihr wisst doch, wie sehr ich euch liebe?« Prüfend sah sie erst in meine, dann in Vaters Augen, der ihr nun mit ruhiger Hand über die Wange strich.
    »Ja, Annabel.« Ich konnte seinen Schmerz geradezu spüren und auch seine grenzenlose Liebe, die er für sie empfand.
    »Und ihr wisst beide, dass es meine Lebensaufgabe ist, Künstler zu unterstützen.« Sie hielt Vaters Finger in ihren und griff mit ihrer freien Hand nach der meinen. Dann schloss sie die Augen und legte den Kopf in den Nacken. »Lieber Gott, gib mir die Kraft!« Als sie die Augen wieder öffnete, standen ihr Tränen darin. »Ich werde nicht mit euch gehen.«
    Mir war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen.
    »Ich kann meine Künstler nicht im Stich lassen, jetzt, wo sie mich am meisten brauchen. Kumalo, Joshua, Sisweakne,

Weitere Kostenlose Bücher