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Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Meeres wimmelte. Sie erwischten etwas, das beide Boote mehrere Meilen weit zog, bevor der Kapitän vernünftigerweise entschied, die Stricke zu zerschneiden.
    Noch weitaus verblüffter waren die Bewohner der letzten Insel des Archipels. Während der folgenden Nacht wurden sie von einem lauten Krachen in ihrem kleinen Dschungel geweckt. Einige besonders kühne Männer brachen auf, um nach dem Rechten zu sehen, und am Morgen fanden sie eine breite Schneise aus gesplitterten und entwurzelten Bäumen. Die Spur der Zerstörung begann am mittwärtigen Ufer des Atolls und führte von dort aus in einer geraden Linie randwärts. Auf dem Boden lagen nicht nur zerrissene Lianen und zermalmte Büsche, sondern auch einige sehr verwirrte und zornige Austern.

    S ie befanden sich hoch genug, um die weite Wölbung des Rands zu sehen, der sich unten fortneigte. Rincewind war dankbar für die Wolken, die ihm den Blick auf den Wasserfall verwehrten. Aus dieser Höhe betrachtet, sah das blaue Meer fast einladend aus, aber den Zauberer schauderte trotzdem.
    »Entschuldige bitte«, sagte er. Die Gestalt im Kapuzenmantel hatte die ganze Zeit über in die dunstige Ferne gestarrt. Jetzt drehte sie sich um und hob die silberne Waffe.
    »Ich möchte dies hier nicht benutzen«, verkündete sie.
»Wirklich nicht?« vergewisserte sich Rincewind.
»Was ist es überhaupt?« fragte Zweiblum.
    »Ajandurahs Stab Völliger Negativität«, antwortete Rincewind. »Mir wäre es lieber, du würdest nicht ständig damit winken. Vielleicht geht das Ding los.« Er deutete auf die glühende Spitze. »Ich meine, es ist sehr schmeichelhaft, daß ihr soviel Magie für uns benutzt, aber ihr solltet es nicht übertreiben. Außerdem…«
    »Sei still!« Die Gestalt schob die Kapuze zurück, und darunter kam das Gesicht einer Frau zum Vorschein. Rincewinds verwunderter Blick fiel auf schwarze Haut. Es war nicht das dunkle Braun von Urabewe oder das glänzende Blauschwarz aus dem von Monsunen heimgesuchten Klatsch, sondern das schwarze Schwarz der Mitternacht in einer tiefen Höhle. Augen und Brauen erinnerten den Zauberer an die Farbe des Mondscheins, und ein ähnliches blasses Schimmern zeigte sich an den Lippen. Die Frau – das Mädchen – schien etwa fünfzehn Jahre alt zu sein, und sie – es – wirkte sehr nervös.
    Rincewind beobachtete, daß die Hand mit dem silbernen Stab zitterte. Sie konnte es sich leisten: Die Entfernung betrug nur etwa zwei Meter, und der Tod in Form völliger Negativität hätte den Zauberer kaum verfehlt. Doch das Zittern bot ihm einen Hinweis, die zum Fundament einer seltsamen Erkenntnis wurde: Jemand auf der Scheibenwelt fürchtete sich vor ihm. Das genaue Gegenteil war so häufig der Fall, daß Rincewind eine Art Naturgesetz darin gesehen hatte.
    »Wie heißt du?« fragte er möglichst ruhig. Das Mädchen fürchtete sich, aber es besaß den Stab. Mit einer solchen Waffe würde ich mich vor nichts fürchten, dachte Rincewind. Bei der Schöpfung: Warum hat es Angst vor mir?
    »Mein Name ist nebensächlich«, lautete die Antwort.
    »Ein hübscher Name«, sagte Rincewind. »Wohin bringt ihr uns? Und warum? Sicher setzt du dich keinen Gefahren aus, indem du Auskunft gibst.«
    »Wir bringen euch nach Krull«, erwiderte das Mädchen. »Und verspotte mich nicht, Mittländer. Sonst bekommst du den Stab zu spüren. Du sollst das Ziel lebend erreichen, aber niemand hat mir befohlen, dich in einem Stück abzuliefern. Ich heiße Marchesa und bin Magierin der fünften Stufe. Verstehst du?«
    »Nun, da du alles über mich weißt, dürfte dir auch klar sein, daß ich es nicht einmal bis zum Neophyten geschafft habe«, entgegnete Rincewind. »Eigentlich bin ich überhaupt kein richtiger Zauberer.« Als er Zweiblums überraschten Blick bemerkte, fügte er rasch hinzu. »Nur eine Art Zauberer.«
    »Du kannst keine Magie beschwören, weil sich einer der Acht Großen Zaubersprüche in deinem Gedächtnis festgesetzt hat«, sagte Marchesa und verlagerte geschickt ihr Gewicht, als die große Linse in einem weiten Bogen übers Meer flog. »Deshalb hat man dich aus der Unsichtbaren Universität verstoßen. Wir wissen Bescheid.«
    »Vorhin hast du ihn als schlauen und unerschrockenen Magier bezeichnet«, protestierte der Tourist.
    »Ja«, bestätigte Marchesa, »wer das alles überlebt, was er überlebt hat – meistens gerät er nur deshalb in Schwierigkeiten, weil er sich für einen Zauberer hält –, muß zu einer gewissen Magie fähig sein. Ich warne

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