Die Farben der Magie
den Reisenden erlaubt, über den Rand zu segeln und ferne Welten zu erreichen. Ich frage mich…«
»Denk nicht einmal darüber nach!« ächzte Rincewind. »Sprich nicht mehr darüber, verstanden?«
»So reden alle in Krull«, sagte Tethis. »Zumindest jene Leute, die ihre Zungen behalten haben.«
» B ist du wach?«
Zweiblum schnarchte weiter. Rincewind stieß ihn nicht besonders sanft an.
»Ich habe gefragt, ob du wach bist«, zischte der Zauberer.
»Scrdfngh…«
»Wir müssen hier weg, bevor die Bergungsflotte eintrifft!« Das Spülwasser-Licht der Morgendämmerung rann durchs eine Fenster der Hütte, tropfte über verschiedene Kisten und Bündel. Zweiblum brummte leise und zog einige Felle und Decken, die Tethis ihnen gegeben hatte, bis zum Kinn hoch.
»Hier liegen überall Waffen und was weiß ich herum«, sagte Rincewind. »Der Troll ist irgendwo draußen. Wenn er zurückkehrt, überwältigen wir ihn und… und… Nun, dann fällt uns bestimmt etwas ein. Na, was hältst du davon?«
»Klingt nach keiner guten Idee«, erwiderte Zweiblum. »Außerdem ist so etwas wenig höflich, oder?«
»Und wenn schon!« knurrte Rincewind. »Wir leben in einem unhöflichen Universum.«
Er kramte zischen den Stapeln an der Wand und wählte einen Säbel mit welliger Klinge, vermutlich der einstige Stolz eines Piraten. Es schien eine Waffe zu sein, die sich auf Gewicht und Schärfe verließ, wenn es darum ging, Schaden anzurichten. Der Zauberer hob sie unbeholfen.
»Ich bezweifle, ob Tethis solche Dinge hierlassen würde, wenn sie eine Gefahr für ihn darstellen«, sagte Zweiblum.
Rincewind achtete nicht auf den Einwand und wartete neben der Tür. Als sie sich zehn Minuten später öffnete, holte er sofort aus und schlug in Kopfhöhe des Trolls zu. Die Klinge schnitt durch leere Luft und bohrte sich mit solcher Wucht in den Türpfosten, daß der Zauberer das Gleichgewicht verlor und fiel.
über ihm seufzte jemand. Rincewind drehte sich um und sah Tethis, der traurig den Kopf schüttelte.
»Du hättest damit nichts gegen mich ausrichten können«, ließ sich der Troll vernehmen. »Aber ich fühle mich trotzdem verletzt. Sehr sogar.« Er streckte die Hand aus und zog den Säbel aus dem Holz. Ohne erkennbare Anstrengung bog er die Klinge zu einem Kreis und warf sie fort. Die runde Waffe rollte fort, erreichte kurz darauf das Ufer, prallte an einen Stein, sprang hoch und verschwand in den Dunstschleiern, die sich jetzt wieder über dem Randfall bildeten.
»Ja, du hast mich sehr verletzt«, betonte Tethis. Er griff neben die Tür und warf Zweiblum einen Sack zu.
»Der Rumpf eines bereits ausgeweideten Hirschs, ganz nach dem Geschmack von Menschen«, meinte er wie beiläufig. »Außerdem einige Hummer und ein Lachs.«
Er sah den Touristen an, richtete den Blick dann auf Rincewind.
»Was starrt ihr mich so an?«
»Es ist nur …«, begann Zweiblum.
»Im Vergleich zu gestern abend… «, fügte Rincewind hinzu.
»Bist du klein«, beendete der Tourist den Satz.
»Ich verstehe.« Der Troll holte tief Luft. »Jetzt werden wir persönlich, wie?« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die derzeit etwa hundertzwanzig Zentimeter betrug. »Zwar bestehe ich aus Wasser, aber auch Wasser ist zu Gefühlen fähig.«
»Tut mir leid«, erwiderte Zweiblum und kroch hastig unter den Fellen hervor.
»Ihr seid aus Erde«, fuhr Tethis fort. »Aber das ist schließlich nicht eure Schuld, und deshalb verzichte ich auf abfällige Bemerkungen. Man darf niemandem die Art seiner Existenz vorwerfen – so lautet meine Devise. Die Verantwortung trifft einzig und allein den Schöpfer. Was mich betrifft… Nun, euer Mond übt eine stärkere Kraft aus als der in meiner Heimat.«
»Der Mond?« Zweiblum wölbte verwirrt die Brauen. »Ich verstehe nicht…«
»Wenn du's genau wissen willst«, sagte der Troll mürrisch, »ich leide an chronischen Gezeiten.«
Eine Glocke läutete in der dunklen Hütte. Tethis trat über den knarrenden Boden und näherte sich einer kompliziert wirkenden Anordnung aus Hebeln, Stricken und anderen Dingen. Sie war am obersten Strang des Umzauns befestigt, an jenem langen Seil, das durchs Fenster reichte.
Die Glocke läutete erneut, und dann bimmelte sie einige Minuten lang in einem seltsamen Rhythmus. Der Troll stand dicht daneben und lauschte aufmerksam.
Als wieder Stille herrschte, drehte er sich langsam um und musterte die beiden Männer. Dünne Falten – oder kleine Wellentäler – entstanden in seiner wäßrigen
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