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Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hättest Angst?« entgegnete Rincewind ungläubig. Der Fremde schnaubte abfällig.
    »Wir wissen alles über dich, Rincewind. Du bist nicht nur ein Magier, sondern auch schlau und unerschrocken. Du lachst dem Tod ins Gesicht. Du täuschst mich nicht, indem du dich feige stellst.«
    Rincewind konnte es kaum fassen. »Ich…«, stammelte er und erbleichte, als Kapuze mit dem tödlichen Silberstab auf ihn zielte. »Offenbar kennst du mich genau«, murmelte er nervös und nahm auf der schlüpfrigen Linse Platz. Der Kommandant gab einige Anweisungen, woraufhin Zauberer und Tourist sich an Ringen in der transparenten Scheibe festschnallten.
    »Wenn du eine magische Formel sprichst, stirbst du auf der Stelle«, warnte die Dunkelheit unter der Kapuze. »Dritter Quadrant, Versöhnung; neunter Quadrant, doppelter Abscheu. Volle Kraft voraus!«
    Hinter Rincewind rauschte Wasser empor, und die Scheibe setzte sich mit einem plötzlichen Ruck in Bewegung. Durch die gräßliche Anwesenheit des Trolls fiel es den Hydrophoben offenbar leichter, sich auf Verachtung zu konzentrieren: Die Linse stieg steil auf und begann erst mit dem horizontalen Flug, als sie eine Höhe von mehreren Dutzend Metern erreicht hatte. Der Zauberer blickte nach unten – und bedauerte das sofort.
    »Nun, jetzt sind wir wieder unterwegs«, sagte Zweiblum fröhlich. Er drehte sich um und winkte Tethis zu, der kaum mehr war als ein kleiner Fleck am Rand der Welt.
    Rincewind bedachte ihn mit einem finsteren Blick. »Bist du eigentlich nie besorgt?« fragte er.
    »Wir leben noch, oder?« antwortete der Tourist. »Und du hast selbst darauf hingewiesen, daß man sich nicht soviel Mühe machen würde, wenn es nur darum ginge, zwei Sklaven abzuholen. Tethis hat wahrscheinlich übertrieben. Ich bin sicher, es ist alles nur ein Mißverständnis. Bestimmt schickt man uns bald nach Hause. Das heißt, nachdem wir Krull gesehen haben. Was der Troll über jenes Land berichtete… Es klang alles sehr verlockend.«
    »O ja«, erwiderte Rincewind mit hohler Stimme. »Verlockend.« Ich habe Aufregung und Langeweile gesehen, dachte er. Die Langeweile ist weitaus sicherer.
    Wenn Zweiblum oder der Zauberer aufmerksamer gewesen wären, so hätten sie jetzt eine seltsame V-förmige Welle gesehen, die sich im Wasser abzeichnete und genau auf Tethis' Insel zielte. Doch sie blickten nicht nach unten. Die vierundzwanzig Hydrophoben starrten zwar ins Meer, aber für sie gehörte die Welle zum allgemeinen Schrecken des Ozeans und war nicht besser oder schlechter als der Rest des flüssigen Entsetzens. Vielleicht hatten sie recht.

    B evor dies alles geschah, ging ein brennendes Piratenschiff mit lautem Zischen unter und begann die lange Reise zum Schlick am Meeresgrund. An dieser Stelle war der Ozean tiefer als sonst, denn unter dem Kiel befand sich der Gorunna-Graben – eine so finstere und unheilvolle Meeresschlucht, daß sich selbst Kraken nur in Begleitung eines mutigen Artgenossen dorthin wagten. In ebenso finsteren, aber weniger unheilvollen Schluchten benutzten die Fische natürliche Lichter auf den Köpfen und kamen eigentlich ganz gut zurecht, doch im Gorunna-Graben verzichteten sie darauf. Hier krochen sie – soweit Lebewesen ohne Beine überhaupt kriechen können. Darüber hinaus neigten sie dazu, gegen Dinge zu stoßen. Schrecklich Dinge.
    Das grüne Wasser in der Nähe des Schiffes wurde purpurn, dann schwarz und schließlich so dunkel, daß Schwärze daneben grau erschien. Inzwischen waren die meisten Planken unter dem enormen Druck gesplittert.
    Das Wrack trieb an Hainen alptraumhafter Polypen, an gespenstisch glühenden schwebenden Algenwäldern vorbei. Dinge strichen mit weichen kalten Tentakeln über den Rumpf, bevor sie durch die kalte Stille davonsausten.
    Etwas kam aus der Dunkelheit, riß einen gewaltigen Rachen auf und verschlang das Schiff.
    Einige Zeit später fanden die erstaunten Bewohner einer kleinen randwärtigen Insel in ihrer Lagune die Reste eines schrecklichen Ungeheuers, das nur aus Schnäbeln, Augen und Tentakeln bestand. Die Ausmaße des Wesens boten Anlaß, noch überraschter zu sein, denn es war größer als das nahe Dorf. Hinzu kam ein Ausdruck des Entsetzens in der erstarrten Fratze des Monstrums, das den Eindruck erweckte, als sei es zu Tode getrampelt worden.
    Etwas weiter randwärts von dem Atoll brachten zwei Fischerboote Netze aus, um die frei umherschwimmenden und ziemlich bissigen Austern zu fangen, von denen es in diesem Bereich des

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