Die Farben der Sehnsucht
verscheuchen. „Wie heißt es doch so schön in der Werbung? Just do it. Tun Sie es einfach. Worauf warten Sie noch?“
Gute Frage. Sie musste ihm von dem Baby erzählen – das war ihr klar. Es würde nicht leicht werden, vor allem weil sie gelogen hatte. Mehr als einmal. Sie hatte nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, um nicht in den Schlamassel hineingezogen zu werden, den er verursacht hatte. Und nun sollte sie vor seiner Tür stehen und fröhlich verkünden, dass sie ein Kind von ihm erwartete?
Er würde ganz sicher wütend reagieren. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, was er sagen würde.
„Colette.“ Seine Tante seufzte. „Sie sind genauso schwierig wie mein Neffe.“
„Ich bin mir nicht sicher …“, flüsterte sie und konnte ihre Furcht nicht verbergen.
„Gehen Sie zu ihm“, ermunterte Elizabeth sie.
Aus dem Munde seiner Tante klang alles so leicht. Das war es nicht – aber wie sollte sie das verstehen? Immerhin kannte sie nur die halbe Wahrheit. Und unter gar keinen Umständen konnte Colette ihr den Rest erzählen.
Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. „Er hat eine neue Beziehung, nicht wahr?“ Was wäre, wenn sie zu ihm ging und er gerade eine andere Frau zu Besuch hatte? Angesichts seiner Vergangenheit wäre es für sie keine Überraschung, zu entdecken, dass er sich mit einer anderen tröstete.
Elizabeth funkelte sie an. „Ist das von Bedeutung?“
Es sollte nicht von Bedeutung sein. Nicht wirklich. Und doch beruhigten Elizabeths Worte sie nicht.
Trotzdem …
Sie würde zu ihm gehen und mit ihm reden. Was auch immer geschehen würde, würde geschehen. Wenn er zur Polizei gehen und sich stellen wollte, wie sie es sich erhoffte, würde sie ihm beistehen. Wenn nicht, wenn nicht … sie wusste nicht, was sie dann tun sollte.
Aus einem unerwarteten Impuls heraus machte Elizabeth einen Schritt auf Colette zu und umarmte sie. „Alles wird gut“, flüsterte sie.
„Versprechen Sie es?“, scherzte Colette.
Christians Tante lächelte. „Lassen Sie sich von ihm zum Dinner einladen, meine Liebe. Sie haben das Essen kaum angerührt.“
Colette ging die Stufen hinunter und stieg in ihr Auto. Elizabeth blieb draußen vor der Tür stehen, bis sie auf die Straße gebogen war. Im Rückspiegel ihres Wagens sah Colette, wie die alte Dame eine Hand hochhob und ihr zuwinkte.
Die Fahrt dauerte weniger als fünfzehn Minuten. Ihr Herz pochte so laut, dass sie nichts anderes um sich herum wahrnahm – nicht das Autoradio, nicht die Musik, die aus den Lautsprechern quoll, nicht die heulende Sirene des Feuerwehrautos, das laut hupend an ihr vorbeirauschte.
Als sie schließlich vor Christians Haus hielt, blieb Colette im Wagen sitzen und betrachtete das Gebäude. Es war aus Schiefer gebaut und hatte riesige Panoramafenster, aus denen man über eine Klippe hinweg Puget Sound sehen konnte. Sie konnte sich den Ausblick vorstellen, den man von seinem Haus auf das Wasser und die Olympic Mountains hatte.
Colette stand kurz davor, die Nerven und den Mut zu verlieren – doch dann erinnerte sie sich an Elizabeth und den Zuspruch, den sie von ihr bekommen hatte. Bestärkt und mit neuer Entschlossenheit stieg sie aus ihrem Wagen, ohne die anderen Fahrzeuge, die an der Straße vor dem Haus standen, zu beachten.
Nachdem sie geklingelt hatte, wartete sie vor der Tür. Wie lange – zehn Minuten oder ein paar Sekunden – konnte sie nicht sagen.
Als Christian die Tür öffnete, starrte er sie an, als würde er sie nicht erkennen.
„Colette?“
„Überraschung“, sagte sie. Ihre Stimme klang seltsam schrill, was ihr ein wenig peinlich war.
Nach einem kurzen unangenehmen Moment des Schweigens kniff er die Augen ganz leicht zusammen. Offensichtlich fragte er sich, warum sie gekommen war. Er machte keine Anstalten, sie ins Haus zu bitten. „Was willst du hier?“, fragte er.
Das war nicht gerade die warmherzige Begrüßung, die sie sich erhofft hatte. „Ich muss mit dir reden.“ Weil es ihr nicht leichtfiel, hier vor ihm zu stehen – und es für ihn sicherlich auch nicht einfach war –, fügte sie hinzu: „Wenn du lieber möchtest, dass ich gehe, dann verstehe ich das.“
„Dann geh.“ Er warf einen kurzen Blick über seine Schulter.
„Hast du … Besuch?“ Also führte er eine neue Beziehung, und die Frau war augenscheinlich anwesend. Colette spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. Hierherzukommen hatte ihr nichts als Schmerz bereitet.
„Ich komme ein andermal
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