Die Farben der Sehnsucht
verspeist worden waren, ebenfalls auf. Ich begleitete sie noch zum Wagen, den Elise fuhr.
Mit einem Mal bemerkte ich die Trauer in ihrem Blick und spürte das beinahe mütterliche Bedürfnis, sie zu trösten. Die nächsten Monate würden schwierig für sie werden.
Maverick hingegen schien sich keine Sorgen zu machen.
Ich verstand auch das. Er hatte in den letzten Jahren weit mehr Liebe und Fürsorge empfangen, als er zu hoffen gewagt hatte. Ich wusste, dass er zufrieden und glücklich war – glücklicher als er es in den Jahren als Profipokerspieler jemals gewesen war. Er war unser guter Geist gewesen, und wir liebten ihn von ganzem Herzen – jede von uns.
Als ich in den Laden zurückging, war Alix die Einzige, die noch da war.
„Ich habe Jordan angerufen“, sagte sie und sammelte ihre Geschenke ein. „Er kommt in ein paar Minuten vorbei und fährt mich nach Hause.“
„Oh, das ist gut.“
Alix half mir beim Aufräumen, und ich bemerkte, dass sie mich ein paarmal von der Seite ansah.
„Warst du überrascht?“, fragte ich, als ich die Pappteller in den Müll warf.
„Total.“ Sie blickte mich an, und ihre Augen glänzten. „Es war wundervoll, Lydia. Danke!“
„Es war uns eine Ehre, diese Feier für dich zu veranstal ten“, entgegnete ich. Ihre Begeisterung rührte mich.
„Hast du gesehen, dass ich mich mit Margaret unterhalten habe?“, fragte Alix ein paar Minuten später, als sie die übrig gebliebenen Croissants in eine Tüte packte.
Ich nickte. Natürlich war ich neugierig und hoffte, dass Alix mir ein bisschen mehr erzählen würde. Margaret vertraute sich mir in der letzten Zeit viel zu wenig an.
„Margaret kam zu mir“, begann Alix. „Sie fragte mich, ob wir uns unter vier Augen unterhalten könnten.“ Ihre Miene verdüsterte sich – vermutlich aufgrund dessen, was Margaret ihr gesagt hatte. „Ich versprach ihr, mit ihr zu reden – aber erst nach der Feier. Ich wollte schließlich die anderen Gäste nicht vernachlässigen“, sagte sie.
Da gab ich ihr recht. Ich konnte mir nicht vorstellen, was meine Schwester ihr zu sagen hatte, das so vertraulich war.
„Als die Party dann allmählich zu Ende ging, zog sie mich in eine Ecke“, fuhr Alix fort. „Es ging um das, was Julia widerfahren ist. Ich dachte, dass die Dinge sich wieder normalisiert hätten, aber das war wohl ein Irrtum.“
„Ich weiß nicht, ob du davon gehört hast“, erklärte ich, „doch die Polizei glaubte, dem Täter auf der Spur zu sein. Dann entschied die Staatsanwaltschaft allerdings, dass die Beweise nicht ausreichend wären, um Anklage zu erheben.“
„Ja, das hat sie mir erzählt. Und deshalb hat sie auch gefragt …“ Sie verstummte.
„ Wonac h gefragt?“ Ich hatte das Gefühl, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.
„Margaret wollte, dass ich ihr … helfe.“
„Wie?“
„Sie denkt, dass ich Kontakte habe.“ Alix wich meinem Blick aus. „Zu jemandem, der bereit ist, Danny Chesterfield etwas anzutun.“
Trotz meines Bemühens, ruhig zu bleiben, rang ich nach Luft und schlug die Hand vor den Mund.
„Sie will nicht, dass er umgebracht wird oder so“, beeilte Alix sich zu erklären. „Aber sie will, dass man ihm wehtut. Richtig wehtut. Wenigstens einen Knochen soll man ihm bre chen – sie hat vorgeschlagen, den rechten Arm zu nehmen, aber wenn ein Bein problemloser wäre, würde sie sich auch damit zufriedengeben.“
Ich wusste nicht, wie ich darauf anders reagieren sollte als mit absoluter Fassungslosigkeit und Grausen. Meine Schwester war bereit, alles dafür zu tun, damit Danny Chesterfield für sein Verbrechen büßte.
„Sie sagte, sie sei bereit, dafür zu bezahlen. Und sie wollte sichergehen, dass Danny klargemacht wird, dass dies die Rache für das ist, was er Julia angetan hat.“
Wortlos griff ich nach der Rückenlehne eines Stuhls, zog ihn unter dem Tisch hervor und ließ mich darauf sinken. Es fühlte sich an, als würden meine Beine mich keine Sekunde länger tragen. Nie in meinem ganzen Leben hätte ich geglaubt, dass meine Schwester zu so etwas fähig wäre.
„Sie war nicht gerade zufrieden mit mir“, sagte Alix.
„Du hast ihr doch gesagt, dass du das nicht tun wirst, oder?“
„Natürlich! Was denkst du von mir?“ Sie hielt inne und grinste schief. „Vor drei oder vier Jahren hätte ich vielleicht darüber nachgedacht, ihr diesen Gefallen zu tun. Aber inzwischen mache ich so etwas nicht mehr.“
Ich brachte kein Wort heraus. Kein Wort. Und ich
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