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Die Farben der Sehnsucht

Die Farben der Sehnsucht

Titel: Die Farben der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEBBIE MACOMBER
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Körbchen in Codys Zimmer zurückgezogen.
    „Kann ich irgendetwas tun?“, fragte Margaret.
    „Du könntest den Tisch decken“, erwiderte ich. Ich hatte die Teller, Servietten, das Silberbesteck und die Gläser schon bereitgestellt. Alles, was Margaret tun musste, war, sie zum Tisch zu tragen und an jeden Platz zu stellen.
    „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich zuerst zu Hause anrufe?“
    „Natürlich nicht.“
    Sie entschuldigte sich und eilte ins Nebenzimmer. Ich konnte hören, wie sie mit Julia telefonierte. Sie klang besorgt, als sie sich nach dem Befinden ihrer Tochter erkundigte. Ob die Türen verschlossen wären, fragte sie. Die Fenster? Hatte sie den Herd abgeschaltet? Julia hasste es bestimmt, dass ihre Mutter sie rund um die Uhr bewachte – dennoch war ich mir nicht sicher, ob ich nicht genau dasselbe getan hätte.
    Margaret kehrte in die Küche zurück, wo ich damit beschäftigt war, alles in Servierschüsseln umzufüllen und sie in die Mitte des Tisches zu stellen. „Wie geht es Mom?“, fragte sie, während sie sorgfältig die Servietten faltete. Das war ihre Art, Fragen über Julia zu umgehen.
    Margaret hatte unsere Mutter seit dem Überfall erst wenige Male gesehen. „Es scheint ihr gut zu gehen“, erzählte ich ihr.
    Meine Schwester sah mit leerem Blick ins Wohnzimmer. „Ich vermisse sie.“
    Zunächst verstand ich nicht, was sie meinte. Wie konnte Margaret unsere Mutter vermissen, wenn sie doch nur ins Auto springen und zu der Einrichtung für betreutes Wohnen fahren musste? Sie hatten sich immer nahegestanden. Auch jetzt telefonierten sie mindestens einmal am Tag. Nachdem wir Mutter in dem Heim untergebracht hatten, war Margaret an manchen Tagen sogar zweimal zu ihr gefahren, um nach ihr zu sehen.
    „Es fühlt sich an, als hätten wir keine Mutter mehr, oder?“, sagte Margaret traurig.
    Plötzlich glaubte ich, den Verlust zu spüren, von dem Margaret sprach. Der Rollentausch war schleichend vollzogen worden, so dass ich mir dessen nicht wirklich bewusst gewesen war. Mit einem Mal kümmerten Margaret und ich uns um Mom. Wir hatten im Prinzip die Rolle der Eltern übernommen, wägten Entscheidungen ab, kümmerten uns um die finanziellen Belange und brachten sie zu Arztterminen. Vor etwa einem Jahr war es ernst geworden – damals hatten wir festgestellt, dass Mom schwer zuckerkrank war und an fangen musste, Insulin zu spritzen. In der letzten Zeit ließen jedoch auch ihre geistigen Fähigkeiten spürbar nach. Die Medikamente, die sie bis dahin eingenommen hatte, schienen nicht länger zu wirken.
    „Mom wird immer unsere Mutter bleiben.“
    „Das wei ß ich“, erwiderte Margaret und warf mir einen genervten Blick zu. „Es ist nur … ich kann im Moment nicht mit ihr reden.“
    „Sicher kannst du das“, entgegnete ich. Wenn Mom regelmäßig von uns hörte, blühte sie auf.
    „Nicht über diese Sache.“
    Diese Sach e war natürlich der Überfall auf Julia. Ich verzieh Margaret ihre hitzige Reaktion, als ich verstand, was sie meinte.
    „Ich vermisse meine Mutter“, wiederholte Margaret.
    Ich stimmte ihr zu. Mir fehlte Mom auch. Mir fehlten die besonderen Momente, in denen wir uns über Gott und die Welt unterhielten. Ich hatte mich an ihre Ratschläge, die den Laden und meine Kunden betrafen, gewöhnt und verließ mich darauf.
    Als ich noch ein Teenager war, hatte meine Mutter jedoch wegen meiner Krebserkrankung so viel Angst gehabt, dass mein Vater gezwungen war, alle medizinischen Angelegenheiten allein zu überwachen.
    Mein Vater war derjenige gewesen, der mich zu den unzähligen Terminen gebracht und in meinem Namen mit den Ärzten gesprochen hatte.
    Er saß vor und nach den Operationen an meinem Bett und flüsterte mir aufmunternde Worte ins Ohr, wenn ich den Schmerz kaum noch ertragen konnte. Und er war da gewesen, als ich die lähmenden Nebenwirkungen der Chemotherapie durchlitt. Mein Vater hat mich aufgebaut, so gut er es konnte.
    Wir hatten uns außergewöhnlich nahegestanden und dadurch Margaret und unsere Mutter zwangsläufig ausgeschlossen. Sicher, meine Mutter hatte ihr Bestes für mich getan, doch mein Vater war mein Halt gewesen, mein Anker.
    „Ich würde gern mit ihr über Julia reden“, fuhr Margaret nun fort. „Aber … ich kann es nicht.“
    Es war offensichtlich, dass meine Schwester sich unsere Mutter so zurückwünschte, wie sie früher einmal gewesen war. Sie wollte von Mom versichert bekommen, dass alles gut werden würde, dass dieser Albtraum ein Ende

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