Die Farben der Sehnsucht
ist ein Grund, warum ich mit dir sprechen wollte.“
Colette war sich nicht sicher, was sie darauf erwidern sollte, und schlug die Augen nieder. „Danke“, murmelte sie.
„Du warst eine gute Ehefrau.“
Die Trauer schnürte ihr die Kehle zu. Doch neben der Trauer spürte sie auch ein schlechtes Gewissen, denn im Augenblick beherrschte Christian ihre Gedanken – nicht Derek.
„Colette?“
„Entschuldige“, sagte sie und zupfte eine Papierserviette aus dem Spender, der auf dem Tisch stand.
„Darf ich dir eine Frage stellen?“
„Ja, sicher.“ Verwundert hob sie den Kopf und blickte ihn an.
„Ich weiß, dass das jetzt ein bisschen überraschend kommt … Aber wäre es okay für dich, wenn ich dich mal anrufen würde?“, stieß Steve hastig hervor.
„Ich …“ Colette fühlte sich nervös und unsicher. „Sicher … denke ich.“ Sie hatte nicht erwartet, dass er sie da s fragen würde. Es war Jahre her, dass sie eine Verabredung gehabt hatte. Das galt augenscheinlich auch für Steve, denn er fühlte sich offenbar genauso unbehaglich wie sie. Wenn sie begannen, sich zu treffen, würde sie ihm von der Schwangerschaft erzählen müssen. Und es erschien ihr falsch, dass Steve darüber Bescheid wusste und Christian nicht.
Plötzlich lächelte er, und sie sah ihn als den attraktiven Mann, der er war – und nicht mehr nur als Dereks Freund und Teil ihrer geselligen Viererrunden. Seine Züge waren klassisch, und sein kantiges Kinn ließ darauf schließen, dass er manchmal stur, aber auch sehr entschlossen sein konnte. Seine dunkelbraunen Augen waren vielleicht ein bisschen klein und standen eng zusammen, doch das störte sie nicht. Und sein Haar war voll und gepflegt. Er hatte in seiner Uniform schon immer gut ausgesehen, und in einem Anzug gefiel er ihr fast noch besser. Denn so strahlte er eine Autorität aus, die die meisten Menschen instinktiv spürten und respektierten. Sie erinnerte sich daran, dass Derek ihr erzählt hatte, Steve hätte eine Zeit lang bei der Marine gedient.
„Hast du heute Abend etwas Besonderes vor?“, fragte er und lächelte schief. „Ich will dich nicht drängen. Es ist nur so, dass ich mich einsam fühle und mir die Vorstellung gefällt, endlich einmal wieder mit jemandem reden zu können.“
„Tut mir leid, aber ich habe heute Abend ein Treffen meines Buchclubs.“ Sie dachte kurz darüber nach, es ausfallen zu lassen. Doch Anne Marie, die Leiterin des Buchladens, hatte sie gebeten zu kommen. Es war das erste Treffen, und deshalb fühlte Colette sich verpflichtet, Wort zu halten.
Steve wirkte enttäuscht. „Okay, ich verstehe.“
„Du kannst mitkommen, wenn du magst“, fügte sie hinzu, denn sie wollte ihn nicht entmutigen. „Auch wenn du das Buch nicht kennst. Ich glaube sowieso nicht, dass alle das Buch gelesen haben.“
„Denkst du, dass das ginge?“
„Ich bin mir sicher, dass es in Ordnung ist“, sagte sie und fand die Idee immer besser. Es wäre keine richtige Verabredung. Sie wären unter Menschen, und die Unterhaltung würde sich um die Geschichte drehen, nicht um sie.
„Ich erinnere mich nicht daran, dass du viel gelesen hättest“, bemerkte er und widmete sich wieder seinem Burger. „Jeanine hatte dagegen immer ein Buch in der Hand.“
„Ich habe ziemlich viel gelesen. Nachdem Derek gestorben war, konnte ich es eine ganze Weile nicht. Ganz egal, wie fesselnd die Geschichte auch war – meine Gedanken schweiften ab. Mehr, als die Zeitung zu überfliegen und das Kreuzworträtsel zu lösen, schaffte ich nicht.“ In dem ganzen Jahr war es ihr nicht gelungen, auch nur eines der Rätsel komplett zu lösen. „Aber jetzt – dank dieses Buches – habe ich wieder angefangen zu lesen.“
„Was ist an dem Buch so anders?“
„Ich denke, die Geschichte ist mir nahe – es könnte meine eigene sein. Es geht um eine Witwe, die sich an ein Leben ohne ihren Mann gewöhnen muss. Der Titel lautet ‚Himmelblau und Rabenschwarz‘, und die Autorin heißt Lolly Wins ton. Es ist sehr bewegend und überraschend lustig. Deshalb macht es wirklich Spaß, das Buch zu lesen.“
Colette hatte die Leiterin des Buchladens, die ihr das Buch empfohlen hatte, zufällig kennengelernt. Anne Marie war mit ihrem Yorkshireterrier Baxter Gassi gewesen, und der kleine Hund hatte seine Leine um Colettes Knöchel gewickelt. Als Anne Marie erfuhr, dass Colette über dem Wollladen wohnte, hatte sie sie auf einen Tee eingeladen. Ihr eigenes Apartment lag über dem Blossom
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