Die Farben der Sehnsucht
ihr zugehört und ihr anschließend versichert, dass alles, was sie getan hatte, der Vergangenheit angehörte und vergeben war. Indem sie ihrem zukünftigen Ehemann ihre Vergehen gebeichtet hatte, war Alix ein großes Risiko eingegangen. Doch Jordan hatte ihr an jenem Tag seine Liebe bewiesen.
Während Tammie Lee von dem Kleid schwärmte, erschien die Schneiderin mit einem Nadelkissen an der Hand und einem Maßband um den Hals. Sie wies Alix an, sich auf ein kleines Podest zu stellen, und steckte dann schnell und fachmännisch den Saum des Kleides ab.
Anschließend zögerte Alix ein bisschen, wieder in ihr T-Shirt und ihre Jeans zu schlüpfen und ihre groben Lederstiefel anzuziehen. Dieses Hochzeitskleid zu tragen hatte ihr einen Moment lang das Gefühl gegeben, die Hochzeit würde so perfekt werden wie das Kleid. Sie erinnerte sich daran, dass der Stress und die Sorgen, die mit der Zeremonie – und mit dem Empfang – einhergingen, bald vorbei sein würden. Es war doch nur ein Tag, wie Jordan immer wieder sagte.
„Habe ich dir jemals von meiner Cousine Savannah O’Brien-Jones erzählt?“, fragte Tammie Lee plötzlich, als Alix aus der Umkleidekabine trat.
„Ich kann mich nicht daran erinnern“, erwiderte Alix. Tammie Lee war bekannt für ihre Geschichten. Wenn sie ihre Meinung zu einer Angelegenheit auf den Punkt bringen wollte, tat sie es oft in Form einer Anekdote.
„Das ist die Tochter der jüngsten Schwester von Tante Frieda. Sie wuchs in New Orleans auf und wurde so geliebt, wie man sein einziges Kind nur lieben kann. Dann zog sie fort, um aufs College zu gehen, und verliebte sich in einen Jungen aus Knoxville. Es war, als hätte ihre Mutter, Tante Friedas … ach, ich habe dir ja schon erklärt, wie wir verwandt sind. Also, es war, als hätte Tante Dorothea ihr Leben lang auf diese Hochzeit gewartet.“
Alix glaubte, dass Tammie Lee früher oder später zu dem Grund kommen würde, aus dem sie diese Geschichte erzählte. Sie streifte sich ihre Lederjacke über und zog den Reißverschluss hoch. „Es war bestimmt eine große Hochzeit, oder?“, fragte sie.
„Oh, du lieber Himmel. Mama hat mir erzählt, dass die Feier mehr als ein neues Auto gekostet hat – und wir reden hier nicht über einen Ford.“ Tammie Lee hielt inne, um Luft zu holen.„Savannah hatte allein zehn – in Worten zeh n – Brautpartys.“ Bei dem Gedanken daran schüttelte sie sich. „Denk doch nur mal an das Schreiben der Dankeskarten! Ihre Ma ma verbrachte Wochen damit, jedes Detail der Hochzeit zu planen – und ich meine jedes Detail. Sie bestellte Orchideen aus Hawaii. Sie wandte sich an die beste Cateringfirma der Stadt, um das Hochzeitsmenü zu ordern. Sie wählte sogar selbst die sechs Brautjungfern aus.“
„Sechs?“
„Eigentlich wollte sie acht haben, aber Savannah sprach ein Machtwort.“
Alix und Tammie Lee verließen das Brautmodengeschäft. Die Kälte des trüben Märztages kroch an ihnen hoch, während sie zum Parkhaus liefen. Der Wind war kalt, und der dunkle Himmel sah bedrohlich nach Regen aus.
„Meiner Meinung nach wären die Dinge besser gelaufen, wenn Savannah früher etwas gesagt hätte.“
„Worüber?“ Alix verlor allmählich den Überblick.„Meinst du die Brautjungfern?“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Die Hochzeit. Sie wollte eigentlich eine kleine Hochzeit, doch ihre Mutter bestand auf dieser riesigen Feier, die ein Vermögen kostete. Und ihr Daddy ebenso. Er wollte mit seiner kleinen Tochter angeben.“ Tammie Lee holte wieder tief Luft. „Das Lustige daran ist, dass Savannah und Charlie, ihr Verlobter, noch während ihre Eltern das ausgefallene Fest organisierten, nach Las Vegas durchbrannten und dort heirateten.“
Alix schnappte nach Luft, und Tammie Lee fing an zu lachen. „Ich hätte gern Mäuschen gespielt, als meine Tante Dorothea diesen Anruf erhielt.“
Tammie Lee hakte sich bei Alix unter. „Ihr Daddy war außer sich vor Wut und tobte. Ihre Mom wusste nicht, was sie tun sollte. Schließlich gaben sie den großen Empfang doch, und ich muss sagen, dass es absolut hinreißend war. Savannah und Charlie waren dort und begrüßten ihre Gäste als Ehemann und Ehefrau und waren s o glücklich. Oh, ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie sie einander ansahen. Sie waren so verliebt.“
„Ich weiß,warum sie nach Vegas abgehauen ist“, murmelte Alix. „Jeder hat die Kontrolle über ihre Hochzeit übernommen, die Verantwortung an sich
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