Die Farben der Sehnsucht
ihrem Sohn, und sie hielten Kontakt zu ihr. Früher oder später würde sie ihnen die Wahrheit sagen müssen.
Und dann war da natürlich noch Christian. Sie hatte ihn konsequent aus ihren Gedanken verbannt. Er hatte seine Entscheidung getroffen und sie die ihre. Wenn es an der Zeit war – wann immer das sein mochte – würde sie ihm die Neuigkeiten beibringen. Es erschien ihr falsch, anderen von der Schwangerschaft zu erzählen und dem Vater des Kindes die Wahrheit zu verschweigen – das ließ sich nicht abstreiten.
Mit Alix über das Baby zu reden hatte ihr Trost und Erleichterung verschafft. Colette glaubte inzwischen fest an die alte Weisheit, dass es heilsam für die Seele sei, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen.
Auch während des Nachmittags, den sie mit Steve Grisham verbrachte, hielt ihre gelöste Stimmung noch an. Sie genoss die Verabredung, obwohl sie spürte, dass in ihrer Beziehung etwas fehlte. Am Anfang hatte sie sich und ihr Geheimnis dafür verantwortlich gemacht. Doch am Ende dieses Samstagnachmittags wusste sie, dass zwischen ihnen diese besondere Verbundenheit fehlte. Sie mochte Steve und genoss seine Gesellschaft, die wohltuend und in keinster Weise fordernd war. Und dennoch …
Es erstaunte sie, dass er nichts zu bemerken schien. Am Ende des Abends hatte er sie zärtlich geküsst und enttäuscht gewirkt, als sie ihn nicht mit rauf in ihr Apartment gebeten hatte. Er hatte sie gefragt, ob sie sich wiedersehen wollten, und sie hatten sich für ein gemeinsames Essen am Freitagabend verabredet.
„Das ist hübsch“, sagte Susannah und deutete mit einem Kopfnicken auf das Arrangement aus Rosen, das Christian für Elizabeth Sasser bestellt hatte. Als hätte sie beweisen wollen, dass er ihr nichts bedeutete, hatte Colette hart ge arbeitet, um das Blumenbouquet so hübsch wie möglich aussehen zu lassen. Rosen brauchten nicht viel, um ihre Schönheit noch zu steigern – Colette hatte sorgfältig eine glänzende Kupfervase ausgewählt und außerdem noch Farn und Schleierkraut zwischen die tiefroten Blüten gesteckt. Herausgekommen war ein bezauberndes Arrangement.
„Wärst du damit einverstanden, wenn ich die Blumen selbst ausliefere?“, fragte Colette. Sie konnte nicht genau erklären, warum es ihr ein Bedürfnis war, die neue Frau in Christians Leben persönlich zu treffen. Elizabeth hatte offensichtlich tiefen Eindruck auf Christian gemacht. Bisher hatten seine Beziehungen nie länger als ein paar Monate gedauert, und nun hatte er seine Kreditkartennummer hinterlassen und Anweisungen für wöchentliche Blumenlieferungen für ein ganzes Jahr gegeben.
Susannah reagierte etwas erstaunt auf diese ungewöhnliche Bitte. „Wir haben doch einen Lieferservice.“
„Ich werde sie nach Feierabend ausliefern.“ Das würde Susannah die Kosten für die Zustellung ersparen.
„Von mir aus – ich wüsste nicht, was dagegenspricht“, erwiderte Susannah, die sich nicht die Mühe machte, ihre Überraschung zu verbergen. „Wenn du unbedingt möchtest …“
„Danke.“ Colette war nicht überzeugt, ob sie nach der Auslieferung immer noch dankbar sein würde. Elizabeth war vermutlich unsagbar schön, talentiert und obendrein unfassbar reich. Colettes eigene Unzulänglichkeit drohte sie zu überwältigen. Sie konnte an nichts anderes mehr denken, als dass sie sich durch diese Aktion selbst dazu verdammte, sich wie ein erbärmliches kleines Nichts zu fühlen, unsicher und lächerlich. Und dennoch überwog ihre Neugierde den gesunden Menschenverstand.
Dann erinnerte sie sich an ihre letzte Unterhaltung mit Alix. Ihre Freundin hatte ihr von den hässlichen Stimmen erzählt, die sie angeschrien und zur Verzweiflung getrieben hatten. Stimmen, die ihr weismachen wollten, dass sie wertlos war. Sie hatte es als „übles Grübeln“ bezeichnet. Colette nahm in diesem Augenblick genau dieselben Stimmen wahr. Sie waren so zerstörerisch, wie Alix sie beschrie ben hatte. Jeder Mensch kann sie von Zeit zu Zeit hören, dachte Colette. Doch sie war fest entschlossen, nicht auf die Stimmen zu hören.
Bevor sie Susannah’s Garde n verließ, frischte Colette ihr Make-up auf und fuhr sich mit einem Kamm durchs Haar.
Die andere Frau war vielleicht eine Hollywood-Schönheit, doch Colette wollte nicht zulassen, dass das die Wahrnehmung ihres eigenen Äußeren oder ihr Selbstwertgefühl beeinflusste.
Jedenfalls sagte sie sich das immer wieder, während sie kurz darauf die Adresse in Capitol Hill suchte.
Als sie
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