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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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erklärt, sei die Erkundung eines Waldes mit seltenen Baumarten, eine knappe Marschstunde entfernt, und wir nahmen nur Marca Vichay mit.
    Seinetwegen hatten Villalcázar und ich gestritten. Ein so märchenhaftes Geheimnis mit einem Dritten zu teilen fand er aberwitzig.
    »Ebenso aberwitzig wäre es, uns allein in den Urwald zu wagen«, hatte ich entgegnet. »Was kennst du schon von unseren Bergen, außer was du von deinem Pferderücken aus gesehen hast? Und da die Kette vorläufig sowieso bleibt, wo sie ist, bis deine Verhandlungen mit Seiner Majestät abgeschlossen sind, hat Marca Vichay keinen Grund zu argwöhnen, was sich in der Grotte befindet. Ich werde ihm sagen, es sei eine Huaca, deren Ort mir Manco enthüllt hätte, und er habe dort nichts zu suchen. Er wird es sich nicht getrauen, denn er hat Angst vor dem Fluch.«
    »Und wenn er sich doch traut, wenn er uns bei dem Gold überrascht? Oder, noch schlimmer, wenn er nachher allein in die Grotte geht?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Na gut, töte ihn, wenn dich sonst nichts beruhigen kann. Auf dem Rückweg ist das leicht. Dann sagen wir den Bedienten, er habe es dir gegenüber an Respekt fehlen lassen. Du bist Spanier. Das genügt als Rechtfertigung.«
    »Ich dachte, du schätzt deinen Verwalter.«
    »Noch mehr schätze ich es, Marquesa zu werden.«
    Villalcázar lachte. Ich auch.
    Also gingen wir zu dritt, Marca Vichay bahnte uns nach meinen Anweisungen den Weg. Entsinnt Euch, Pater Juan, ich hatte die Pfade, die der Inka mir seinerzeit gezeigt hatte, in eine kleine Tontafel geritzt. Diese Tontafel hatte ich bei mir, als ich mit Villalcázar das unterirdische Gewölbe aufsuchte.
    Bald schon führte mich das Donnern des Wasserfalls. Ich ging, ohne viel zu denken. Alles war in meinem Kopf beschlossen und vorgezeichnet. Alles würde zu seiner Zeit geschehen.
    Hinter mir knurrte und fluchte Villalcázar.
    Sich den Lianen zu entwinden und das auf diesem schwammigen Grund, der seine giftigen Dünste verströmte – es kostete einiges bei jedem Schritt.
    Endlich waren wir da. Wie beim ersten Mal traf es mich jäh, in das freie Stück Himmel hinauszutreten, das den Urwald rings um das glitzernde Rund im Bann hielt. Ich verharrte. Vor meinen flimmernden Augen erschien die gedrungene Gestalt Huascars, wie sie um den Wasserfall herum zu dem Felsvorsprung schritt … Menschen verschwinden oder wandeln sich; Landschaften aber graben sich nur noch tiefer ein. Das Wasser erstreckte sich jetzt rechts und links bis an die schwarzen Wellen der Laubschatten.
    Ich wehrte Erinnerungen und Gefühle ab. Ich hatte es plötzlich eilig, ein Ende zu machen.
    Wie vereinbart, sagte ich zu Marca Vichay: »Wir müssen durch dieses Wasser. Sieh zu, wo wir Grund finden.«
    Und ich wandte mich zu Villalcázar um.
    Das Gesicht schweißüberströmt, rang er nach Luft.
    »Hast du Durst?«
    Ich reichte ihm den Weinschlauch. Ich sah, daß er an den Schläfen ein paar weiße Haare hatte. Er trank. Ich wartete.
    Auf einmal ließ er den Schlauch fallen, taumelte, versuchte sich aufzurichten und brach rücklings zusammen. Wie groß er war!
    Ich warf mich auf die Knie, schüttelte ihn.
    »Hörst du mich?«
    Seine Lider flogen, der Blick darunter schwamm.
    Schnell sprach ich weiter: »Ich habe mein Versprechen gehalten, Bartolomé. Hier ist es. Die Kette und die Schätze Huascars liegen dicht vor dir. Du brauchst nur durchs Wasser, und das Gold … Soviel Gold, Bartolomé! Dafür könntest du Fürst sein in deinem Land, eine Expedition ausrüsten, zu neuen Ruhmestaten ausziehen! Aber du ziehst nicht mehr aus. Du ziehst nirgendwohin. Schade, nicht wahr? Das ganze viele Gold in Reichweite deiner Hand, mehr Gold, als die Pizarros je gefunden haben, und du kannst die paar Schritte nicht tun, die dich davon trennen, du kannst nicht einmal mehr aufstehen! Fühlst du nicht, wie deine Gliedmaßen schwer und taub werden? Sei ruhig, so ist das eben, du wirst sterben … Wie konntest du glauben, ich hätte vergessen? Mir mein kleines Mädchen zu rauben! Sie war das blühende Reis meines Lebens, und du hast sie getötet, hast sie durch deine schmutzigen Machenschaften umgebracht! Dir verzeihen? Solche wie du bilden sich immer ein, die Opfer seien ihnen die Verzeihung schuldig. Nein, ich habe dir nicht verziehen, Bartolomé, ich verzeihe nicht …«
    Ich hätte Stunden um Stunden so weiterreden können. Ich hatte noch so vieles, so vieles im Kopf und auf dem Herzen, aber wo bleibt der Genuß, wenn die Worte nicht

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