Die Favoritin
Lust des Inka hat keine Stunde. Also hielt ich mich ständig zu ihrer Befriedigung bereit. Nachts wachte eine Dienerin – ich hatte jetzt eine zu meiner persönlichen Verfügung –, und wenn Huayna Capac nach mir schickte, weckte sie mich aus dem Schlaf und kleidete mich an. Manchmal wollte er mich nur zum Klang des Tamburins tanzen sehen, was ich recht gut konnte. Wenn ich nicht bei dem Inka war, das heißt die meiste Zeit, blieb ich in dem Gemach, das man mir zugewiesen hatte. Es verschönte sich nach und nach durch die Zeichen der Zufriedenheit meines Gebieters: durch einen Wandteppich, eine Vase, eine Schlafdecke aus feiner Wolle, einen Bronzespiegel und eine kleine hölzerne Truhe, in der ich weitere Geschenke verwahrte, eine Silberbrosche, mit der ich meine Lliclla schloß, und ein breites Armband mit Blumen aus Perlmutter und Korallen. Die Dienerin brachte mir die Mahlzeiten.
Der Inka hatte mir verboten, mich in Gesellschaft der anderen Acllas zu begeben. Ich wußte nicht warum, aber diese Sonderstellung, dieser magische Kreis, den er um mich zog, verdrehte mir den Kopf. Ich war gebläht vor Stolz. So blutjung, verwechselt man die Gegenwart leicht mit der Zukunft. Ich stellte mir mein Leben nur mehr als eine Reihe glücklicher Tage vor, erleuchtet durch eine steigende Gunst, und obwohl Hunderte verschmähter Frauen den Palast bevölkerten, vermochte nichts meinen einfältigen Glauben zu trüben.
Ich war verrückt vor Freude, als Huayna Capac mir ankündigte, er gehe nach Quito und werde mich mitnehmen.
Tags zuvor ließ mich die Goya Rahua Ocllo rufen.
Eure Landsleute, Pater Juan, waren schockiert, als sie hörten, daß der regierende Inka, der Tradition folgend, stets eine seiner legitimen Schwestern zur Gattin nahm. Aber wie hätte der Fortbestand des Sonnengeschlechts anders gesichert werden können, als indem die einzigen Träger des reinen göttlichen Blutes untereinander heirateten? Wir betrachten diese Vereinigungen als von der menschlichen Regel ausgenommene Notwendigkeit.
Wie die meisten Frauen, die in direkter Linie von dem ersten Inka Manco Capac, dem Begründer der Dynastie, abstammten, war Rahua Ocllo – sagte ich das bereits? – sehr schön. Ihre Haut hatte die perlmutterne Bleiche des Mondes, ihr Haar entlieh seinen tiefen Glanz der Nacht. Sie liebte Feste, umgab sich mit grotesken Zwerginnen, kleidete sich höchst erlesen und hatte eine Vorliebe für Smaragde und die Farben des Regenbogens.
Das war alles, was ich von ihr wußte, pure Äußerlichkeiten, ebenso wie die mir erwiesenen Wohltaten, wie ich nur zu bald erfuhr.
Sie schickte ihre Frauen weg. Ihre strenge Miene beunruhigte mich. Die Gestimmtheit der Fürsten ist das Gewissen der Niederen. Ich fühlte mich schuldig, ohne zu wissen, warum.
»Kind«, sagte sie, »bevor du fortgehst, haben wir zu reden. Du mußt wissen, vor etwa dreißig Jahren zog der Inka, mein Gemahl, mit seiner großen Armee nach Norden und eroberte das reiche Königtum Quito. Im Inka wohnen der Gott und der Mann beieinander. Der Mann verliebte sich in Paccha Duchicella, die Königstochter des Landes. Unser Sohn, Prinz Huascar, war fünf Jahre alt, als Paccha Duchicella dem Huayna Capac ebenfalls einen Sohn gebar. Man nannte den Bastard Atahuallpa … Wahrscheinlich ist dir das neu, das Volk weiß nicht, was es übrigens auch nicht zu wissen braucht: jedenfalls, seit die Inkas regieren, wurde das Reich noch nie geteilt. Es war, im Gegenteil, die stete Sorge unserer Herrscher, ihre Gebiete zu mehren. Daher dachte ich an dich; mach, daß unser Gebieter von seinem Vorhaben abläßt … Zieh kein so dummes Gesicht! Wenn eine Frau die Aufmerksamkeit des Inka mehr als einen Tag zu fesseln weiß, vermag sie viel. Ich verlange ja nicht, daß du den Gott beeinflußt, sondern den Mann. Der Mann ist verwundbar. Wenn man bedenkt, daß Paccha Duchicella meinem Gatten seit ihrer ersten Liebe überall nachläuft! Die Jahre sind wahrlich nicht spurlos an ihr vorübergegangen, bald ist sie nur noch stinkendes Aas, und trotzdem behält sie Macht über den Inka. Sie hat ihn auch zu der Reise nach Quito bewogen. Er soll sogar vorhaben, sich endgültig dort niederzulassen, wenn er die Reichsnachfolge so unheilvoll, wie er es plant, geregelt hat. Unheilvoll ist das treffende Wort! Während der letzten Feierlichkeiten zum Intip Raymi, als du noch im Acllahuasi warst, stürzte ein verwundeter Adler, der von Geiern verfolgt wurde, vor der Sänfte des Inka herab. Ein schlimmes
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