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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Coya … »Ich werde sehen, wenn wir in Quito sind«, sagte ich mir und verließ mich unbekümmert auf die verschwenderische Güte, die Huayna Capac mir erwies.
    Nie in meinem Leben erlag ich einem größeren Irrtum.
    ***
    Die Nan Cuna besteht aus zwei Straßen. Die eine erstreckt sich durch die Sierra, überschreitet stürzende Wasser, schlängelt sich an Bergflanken aufwärts, gräbt ihren Weg in die Felsen; die andere folgt lässig dem Meeressaum. Und diese beiden gewaltigen Strecken, die das Reich von Süden bis Norden durchziehen, haben überdies Querverbindungen.
    Nach Amancay schlugen wir eine solche Verbindungsstraße ein und gelangten ins Tal von Pisco. Sand beherrscht dort den Boden, aber wie üppig gediehen dennoch die Obstpflanzungen, wie prächtig standen die Baumwollfelder!
    Die Spanier schrien Wunder, als sie hörten, daß wir das Wasser, das die Küstenebenen bewässert, aus den Anden herableiteten. Wir zeigten ihnen die unterirdischen Gänge, die unsere Arbeiter gegraben hatten, die Aquädukte und Kanäle, die Reservoire und die Schleusen … All diese Werke sind heute dem Verfall preisgegeben. Das betrübt uns, wir verstehen es nicht. Kann es denn sein, daß man in Eurem so hoch zivilisierten Land Wissen und Erfindungskraft derart mißachtet? Spanien muß sehr reich sein.
    Wir verweilten eine Woche in Pachacamac, wo Huayna Capac das Orakel befragte, und danach in Rimac, nahe bei Lima, das derzeit erst ein kleiner Marktflecken war.
    In Rimac nun fiel ich jäh in Ungnade.
    Taulichusco, der mächtige Curaca der Provinz, hatte dem Inka seinen Palast zur Verfügung gestellt. Die Tage reihten sich aneinander wie schöne Perlen einer Schnur. Da ich bislang weder die Freuden des Herzens noch die ganze Macht der Sinne kannte, meinte ich, es gäbe auf Erden keine Seligkeit, die sich der meinigen vergleichen ließe.
    Im goldenen Schatten des Göttlichen zu leben, ihm zu dienen, seine Lust zu empfangen, in fürstlichen Häusern zu wohnen, mich von den köstlichsten Speisen, den seltensten Früchten zu nähren, eine entzückende Auswahl von Llicllas zu besitzen, und Tuniken, und Bänder, und so viele Paar Sandalen wie Monde im Jahr … Ihr lächelt, Pater Juan, Ihr haltet mich für sehr leichtfertig. Bedenkt aber, daß ich früher barfuß ging und an Kleidern nur besaß, was ich am Leibe trug, bedenkt, wie gründlich mein Leben sich verändert hatte! Welcher Fünfzehnjährigen hätte da nicht der Kopf geschwirrt?
    Der Palast des Taulichusco war prächtig. Die Wände waren mit einer Verkleidung aus zerkleinerten Muscheln überzogen und schimmerten wie Silber, sie wirkten von weitem wie Feengebilde. Blühende Terrassen schlossen sich an die Säle an, dort wurden unaufhörlich Feste und Bankette gefeiert.
    Eines Abends ließ der Curaca nach anderen Zerstreuungen eine Jungfrau kommen, die tanzte und Flöte spielte. Von Ansehen war sie nicht bemerkenswert, ein flaches Gesicht, dicke Lippen, aber welch eine Kühnheit der Gebärden und wie beweglich und anmutig dieser kleine Körper, den eine Gazetunika weniger verhüllte als entblößte. Zum Ende ihrer Darbietung ließ sie die Flöte ruhen und mimte eine Art Liebesspiel mit einer Schlange. Noch nie hatte ich etwas so Unzüchtiges gesehen.
    Der Kontrast zwischen dem kindlichen Leib und diesen obszönen Umschlingungen schien den Männern ungemein zu gefallen. Sie bekamen große glänzende Augen. Kein Zweifel, jeder träumte davon, die Schlange zu sein. Der Inka hielt die Lider halb geschlossen und kaute langsam auf seiner Kokakugel.
    Bevor das Schauspiel endete, raunte er Taulichusco einige Worte zu und erhob sich. Ich glaubte, es geschähe vor Abscheu und wollte ihm nacheilen, ebenso wie die anderen anwesenden Acllas. Durch ein Runzeln der Brauen entfernte er uns. Das Mädchen folgte ihm.
    Morgens rief er nach dem Frühstück. Wir fanden ihn sehr vergnügt. Die kleine Yunga – so nennen wir die Küstenbewohner – rekelte sich nackt und glücklich auf dem kaiserlichen Lager, mitten in den Decken aus Vikunjawolle, die eigens nur für den Inka gewebt worden waren und deren unvergleichliche Geschmeidigkeit er mich so oft hatte bewundern lassen. Die Schlange ringelte sich erhobenen Kopfes zwischen ihren Schenkeln. Huayna Capac befahl mir, eine Amme zu holen: die Schlange nährte sich nur von Frauenmilch. Wut im Herzen, gehorchte ich.
    Als wir wieder nach Norden aufbrachen, kam Nauca Paya, die kleine Yunga, mit.
    Das Klima der Meeresküsten macht lasziv und zügellos.

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