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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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weiter ab, verteidigte mich. Ein zweiter Würdenträger kam mit zwei Wächtern, die mich packten, ich fand mich auf dem Pflaster vor den goldenen Thronen des Inka und der Coya wieder. Dort lag ich stumm, zerbrochen.
    Das Schuldgefühl, das seit Jahren in meinem Herzen lauerte, brach unter dem Schock hervor und überwältigte mich; ich wollte nichts mehr, wehrte mich nicht. Fast war es eine Erleichterung. Ich brauchte nichts mehr vorzutäuschen, nicht mehr zu kämpfen, ich ergab mich in die Entsagung, die Strafe, den Tod. Ich fühlte mich wie schon gestorben, Staub im Staube … Da kam mir die Erinnerung an Gualcas Todesqualen, Entsetzen befiel mich, mein ganzer Körper begann zu schmerzen, ich richtete mich auf.
    Erneut streckte mich ein Stoß zu Boden.
    Die Stimme des Inka erscholl.
    »Steh auf.«
    Ich gehorchte.
    Die Coya beugte sich zu ihm.
    »Das Kind ist von großer Schönheit, mein großmächtiger Gebieter. Hast du gesehen, wie weiß und feinporig die Haut ist und wie lieblich die Gliedmaßen? Darf ich dir sagen, was ich denke? Wenn ihr Makel dem scharfen Blick der Mamacunas entgehen konnte, ist es dann nicht der Götter Wille, dir dieses Wunder anzuempfehlen und dir durch sein besonderes Mal kundzutun, daß es nicht seinesgleichen hat?«
    An diesem Abend gab es auf der Huacaypata ein großes Bankett und fröhliches Gelage mit Tänzen und Gesängen. Der Widerhall des Festes drang bis in das Acllahuasi, wohin man mich zurückgebracht hatte, ich hörte es bis in meine Zelle.
    Von unserer Gruppe aus Amancay waren fast alle Mädchen an Würdenträger und Provinzgouverneure vergeben worden. Außer mir hatte der Inka nur ein Mädchen behalten.
    In den ersten Tagen war mein Glück so übermächtig, daß ich es fast nicht ertrug. Am Ende der Woche brach es in sich zusammen. Ich hatte geglaubt, am Ziel zu sein. Welch ein Irrtum! Das größte Hindernis lag erst vor mir.
    Ich begriff es, als ich in den Werkstätten des Acllahuasi auf zahlreiche Acllas traf, die über ihre Jugend längst hinaus und ganz dem Hinwelken und Vergessen geweiht waren. Als sie sich einst vorstellten, hatten sie Gefallen erregt, – ein flüchtiger Eindruck, der ebenso rasch verloschen war. Schönheit kann eintönig sein. Wie hätte das Gedächtnis des Inka sich die Hunderte, ja Tausende Gesichter und Gestalten der Frauen merken sollen, die er ausgewählt hatte? Ausgewählt zu sein hieß noch längst nicht erwählt zu sein. Im Gegenteil, ausgewählt sein bedeutet für die meisten nur eine lebenslange Abgeschiedenheit. Diese Erkenntnis jagte mir Grauen ein. Ich wurde schwermütig, mochte mir nicht einmal mehr die Haare kämmen, und die Mamacunas von Cuzco schimpften mit mir. Eine Accla, predigten sie, müsse sich jeden Augenblick bereit halten. Die Lust des Inka habe keine Stunde.
    Es war mitten in der Nacht, als Diener mich holten.
    Man rüttelte mich, tauchte mich, noch schlaftrunken, in ein goldgefaßtes Becken, frottierte mich mit einer duftenden Essenz und streifte mir eine gestickte weiße Tunika über, meine Haare wurden geglättet und mit einem Goldreif geschmückt, ich hüllte mich in meine Lliclla und verließ zitternd in der nächtlichen Kälte das Acllahuasi, in der Gewißheit, daß ich seine Schwelle nie mehr betreten würde, da jede Frau, die das Lager des Inka, und sei es nur einmal, geteilt hat, fortan zu seinem Haus gehörte.
    Eine Gasse trennte das Acllahuasi vom Palast Huayna Capacs. Auf einmal fand ich den Weg zu kurz, so aufgeregt war ich. Würde ich gefallen? Ich fühlte mich so linkisch, so dumm!
    Die Diener führten mich in einen goldschimmernden Raum und verließen mich. Ein Vorhang schob sich beiseite. Ich warf mich zu Boden. Zwei kleine Füße in Sandalen aus feinen Wollflechten trippelten auf mich zu.
    »Auf, Kind.«
    Verdattert erkannte ich die Coya, Rahua Ocllo.
    »Ich war es, die dich kommen ließ. Der Inka ist heute nacht erschöpft, aber seine machtvolle Natur verlangt nach Befriedigung. Zwei seiner Frauen haben sich schon um ihn bemüht, er hat sie weggeschickt. Das ist deine Chance, Kleine … Hast du Angst?«
    »Wer würde vor dem großmächtigen Huayna Capac nicht erbeben, o erhabenste Coya?«
    »Zeig es nicht. Du würdest die Güte meines Gemahls verprellen. Sein Begehren schwindet vor der Furcht, die die Gliedmaßen verknotet, vor Tränen, die häßlich machen, und all dem albernen Getue, das Jungfrauen sich anzumaßen pflegen. Wenn du leidest, wenn sein Ullu in dich eindringt, leide heiter, damit du seinen

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