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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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beehren, das ließ sein Alter nicht mehr zu. Vielmehr galt, wie ich Euch sagte, die Anzahl der Frauen als Zeugnis von Macht und Reichtum; ein Herrscher wäre wie ein Provinzgouverneur erschienen, hätte er nur an die fünfzig mit sich geführt.
    Nach den Frauen kamen die Würdenträger. In Sänften oder in Matten. Der Rang zeigt sich in den prächtigen Gewändern. Die Umhänge sind um die Schultern gerafft, ihre Bahnen öffnen sich über kurzen Tuniken, die mit Stickereien geziert sind und gesäumt mit Fransen oder Pompons aus Ara- oder Papageienfedern in blendenden Farben. Und alles blinkt und funkelt von Gold: in der Form von Besätzen, Perlen, Gehängen oder Pailletten, eingelegt mit Silber, besetzt mit Edelsteinen, Lapislazuli, Perlmutter oder Kristall, wird es zum Brust- oder Armschmuck, zu Kniebändern, Halsketten, Armreifen, Diademen und Ohrringen. Gold ist das Symbol unseres Vaters der Sonne, es umhüllt jene, die seines Blutes sind.
    Danach folgen die Magier, die Seher, die Medizinmänner und die lärmende Woge der Sänger, Tänzer und Flötenspieler, es folgen die Trommler und Tamburinschwinger, die Zwerge, die Buckligen, deren Luftsprünge und Späße unsere Feste erheitern, und der majestätische Aufzug der Jaguare und Pumas, umgeben von Eingeborenen der heißen Zonen, in Felle und Federn gekleidet, die sehr geschickt darin sind, die Bestien zu fangen und zu dressieren.
    Bleibt nur noch die Dienerschaft zu erwähnen. Obwohl wir sicher sein konnten, bei jeder Rast alles zu unserer Bequemlichkeit Notwendige am Ort vorzufinden, zählten die Diener und Dienerinnen nach Tausenden. Hinzu kamen die Träger und die Lamaherde, die Männer schwerer bepackt als die Tiere. Wird ein bestimmtes Gewicht überschritten, weigert sich das Lama zu gehen. Beharrt man, legt es sich nieder und speit einem einen langen Strahl grünlichen, stinkenden Speichels ins Gesicht. Darum vermeiden wir, es zu reizen.
    Stets eilen Läufer dem Zug voraus, die Ankunft des Inka zu melden. Dann holen die Städte ihr Kostbarstes hervor. Alles schleppt Teppiche, Behänge, Jaguarfelle herbei oder steckt Dekorationen aus Federn. Straßen und Plätze tragen Fahnen. Die Mauern werden mit Gold- und Silberschuppen bedeckt, und die Bewohner schwärmen aus, in der Umgebung Blumen und Zweige zu pflücken.
    In den Dörfern, durch die sich der Zug bewegt, wimmelt es wie in einem Ameisenhaufen. Man kehrt die Straße, rupft Grashalme, kratzt Moos vom Pflaster, man errichtet Laubbögen, putzt die Festkleider, singt und tanzt vor Freude. Auf den Mäuerchen der Pflanzterrassen liegen spähend die Kinder.
    Und taucht dann die Spitze des Zuges auf, von ferne schon angekündigt durch die dunklen Töne der Mullu, der großen Meeresmuscheln mit dem rosigen Perlmutter im Innern, und durch die im Himmel flatternden Banner, dann schreien die Kinder. Schon stürzen Männer und Frauen aus den Hütten herab. Sogar Greise mit wackelndem Kopf und Kranke haben plötzlich Beine und laufen. Den lebendigen Gott zu sehen ist ein Glück, das sich vielleicht kein zweites Mal im Leben bietet, und die Erinnerung daran verzaubert das Herz bis zum Tod!
    Wir hatten den Apurimac überschritten – ich lachte in meiner Sänfte in mich hinein bei dem Gedanken an meine Schrecken, als ich einst als kleines Mädchen zum erstenmal den Fuß auf die Hängebrücke setzte –, und das Auge an den Schlitzen im Behang, spähte ich den Berghang zu Seiten der Reichsstraße hinan und hinab.
    Waren mein Vater, meine Mutter, meine Schwester unter der Menge, die Huayna Capac jubelnd begrüßte? Ich sah sie nicht.
    Sicherlich war es besser so. Wozu neu beleben, was vergessen sein mußte? Ich hätte weder mit ihnen sprechen noch ihnen winken dürfen. Eine Accla hat keine Familie, keine Vergangenheit. Sie erwacht an dem Tag zum Leben, da sie sich auf dem Lager des Inka der Liebe öffnet. Übrigens wissen die Eltern, die ihre Tochter zum Acllahuasi führen, daß sie von ihr nie eine Nachricht erhalten und sie niemals wiedersehen werden.
    Seit der Ankunft Eurer Landsleute, Pater Juan, sind unsere Regeln außer Kraft gesetzt. Ich sah meine Familie wieder. Lange, lange danach, und in der grausamsten Stunde meines Lebens.
    Zum Glück liegt die Zukunft im Spiegel der Seher. Der meinige zeigte zu jener Zeit nur das Bild einer wunderbar geschmückten, sehr jungen Frau, die voller Inbrunst die Neuheiten ihres Standes auskostete.
    Je weiter wir uns von Cuzco entfernten, desto ferner rückten auch die Drohungen der

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