Die Favoritin
Vorzeichen! Die Götter zürnen! Und Schuld daran ist jenes intrigante Weib mit seinem Bastard. Ihre Pläne müssen unbedingt vereitelt werden. Es gebührt Huascar, meinem Sohn, dem legitimen Erben, dem, der nur eines Blutes ist, des unseren, daß ihm das Reich als Ganzes zufällt! Wenn er regiert, regiere ich, und ich werde dich nicht vergessen.«
Später, unter veränderten Umständen, sollte ich mich dieser Worte erinnern. Im Moment aber starrte ich niedergeschmettert die Coya an, die ihr anbetungswürdiges Bild zerstört hatte und mir das einer von Eifersucht und Haß besessenen Harpyie bot.
»Ich bin noch so jung, so jung …! Was kann ich tun?« murmelte ich.
»Der Stachel eines Insekts kann einen töten, der tausendmal größer und stärker ist. Deine Nichtigkeit ist ein Trumpf. Würde der Inka dem Geplapper eines kleinen Mädchens mißtrauen? Zerstöre die Liebe des Vaters zum Sohn, senke Zweifel und Verdacht in sein Herz! Erfinde etwas! Wenn Ihr in Quito, dem Lehen Atahuallpas, seid, wird dir das leicht fallen. Nichts tut Huayna Capac lieber, als die Verdienste seines Bastards zu rühmen, er glaubt nämlich, dieser Dämon liebe ihn ganz uneigennützig und nicht um dessentwillen, was er sich von ihm erhofft … Kleine geschickt eingestreute Sätze … Vor allem, wenn du den alten Mann vorher in der Lust kirre gemacht hast, tröpfeln sie ihm ins Herz wie ein langsames Gift.«
Ich rang die Hände.
»Erhabenste Coya, jeder kann nur geben, was er hat. Nie werde ich imstande sein …«
Die Augen der Rahua Ocllo wurden schmal wie die eines Jaguars, der seine Beute fixiert.
»Die Privilegien, die du, elende Tochter der Felder, genießt, verdankst du mir! Wo wärst du heute, wenn ich nicht für dich gesprochen, wenn ich den Zorn des Inka am Intip Raymi nicht von dir abgewendet hätte? Und warum habe ich dich gerettet? Hast du dir die Frage niemals gestellt? Um meinen Gemahl zu befriedigen? Das können auch andere. Aus Mitleid mit dir? Mitleid ist eines der wohlfeilsten Gefühle. Ich habe dich gerettet, weil ein Mädchen, das so listig und ehrgeizig ist, vier Jahre lang einen Makel geheimzuhalten, der es ausgeschlossen hätte, mir der Unterstützung würdig erschien. Also enttäusche mich nicht. Gebrauch deinen Kopf. Es geht heute wie gestern um deine eigenen Interessen. Auch aus der Ferne kann ich, was ich erbaut habe, vernichten!«
Kein weißer Mann hat jemals gesehen, wie der Inka auf große Reisen ging. Darum will ich Euch, Pater Juan, zu schildern versuchen, wie es war, als wir von Cuzco nach Quito aufbrachen; es war die letzte Reise zu den glücklichen Zeiten unseres Reiches.
Stellt Euch den Aufzug vor: Fünftausend Krieger mit Schleudern eröffnen den Zug, ihnen folgen zweitausend aus edlem Geblüt, dann abermals zweitausend, die Leibgarde des Inka. Alle sind schöne, stolze Männer. Sie marschieren in straffer Ordnung. Ihre Schilde aus Holz und Leder, mit Federn, Gold oder Silber geziert, kennzeichnen die jeweiligen Ränge, sie bilden ein bewegtes Mosaik, das die Augen erfreut. Die Kürasse blinken, an ihren Schwertern mit goldenem Knauf erkennt man die Befehlshaber.
Ein weißes Lama schreitet feierlich der Sänfte des Inka voran. Es trägt eine scharlachrote Schabracke. Seine Ohren sind mit goldenen Trauben behängt.
Die Sänfte ist ein Kunstwerk, das gemeinsame Werk von Schreinern, Webern, Federwirkern und Juwelieren, den besten der besten. Aus Edelhölzern gezimmert, mit Gold beschlagen, mit Blumengebinden aus Smaragden und Türkisen besetzt, wird sie von zwei anmutigen Goldreifen überwölbt, von denen die Behänge niederfallen. Auf dem seidigen, mit glitzernden Fäden bestickten Gewebe sind Sonne und Mond zu bewundern, die den göttlichen Ursprung des Inka versinnbildlichen. Durch Öffnungen in den Behängen kann er sehen, ohne gesehen zu werden. Will er sich der Verehrung seiner Untertanen darbieten oder die Landschaft betrachten, werden sie aufgeschlagen. Acht Männer von außergewöhnlichen Kräften tragen dies Monument. Es ist eine hohe Ehre. Aber auch eine schreckliche Verantwortung: auf das mindeste Straucheln steht der Tod.
Danach folgen leichtere Sänften, heiter anzuschauen mit ihren farbenfrohen, geschlossenen Behängen; sie tragen die Frauen, die den Inka begleiten dürfen. Auf unserer Reise waren es mehr als siebenhundert. Ich versichere Euch, Pater Juan, Huayna Capac gedachte keineswegs, sich großen Ausschweifungen zu ergeben noch auch nur ein Zehntel dieser Begleiterinnen zu
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