Die Favoritin
Farbe der Gesundheit, Kalebassenstücke spannten von innen die Wangenhaut. Und eine kleine Goldscheibe bewahrte für immer den Glanz des Blickes, den er auf eine jede von uns geworfen hatte.
Und so, mit seinen kostbarsten Kleinodien geschmückt, sah das Volk, das sich entlang der ganzen Reichsstraße drängte, zwischen den Behängen der Sänfte zum letztenmal seinen Inka.
Wir machten die etwa fünfhundert Meilen { * } weite Reise in einem einzigen Tränennebel. Andauernde Szenen der Trauer begleiteten den Zug. Als wir uns Cuzco näherten, waren die Selbstmorde nicht mehr zu zählen. Huayna Capac war sehr beliebt gewesen. Vielleicht fühlte die Menge auch mit jener dunklen Vorahnung, die einfachen Menschen gegeben ist, daß mit ihm unser strahlender Frieden auf immer unterging.
Eines Abends langten wir in Cuzco an.
Auf jedem Platz brannten Feuer, die Mauern der Paläste glühten rot. Die gesamte Verwandtschaft des Inka hatte sich vor dem Sonnentempel versammelt, seine Hülle zu empfangen. Als die Sänfte hielt, erreichten die bei solchen Anlässen gebräuchlichen Gesänge und Tänze eine fast unerträgliche Intensität.
Stumpf, auf Beinen, die das Gehen verlernt hatten, wankten wir zu den anderen Konkubinen Huayna Capacs, die in Cuzco verblieben waren. Da sie nicht wie wir in Tränen aufgelöst waren, konnten sie ihren Schmerz besser entäußern.
Becher mit Chichawein und Kokablätter, die von Dienern sogleich an uns ausgeteilt wurden, frischten jedoch rasch unsere Kräfte auf. Ich sah meine Gefährtinnen sich händeweise die Haare ausraufen, sich das Gesicht mit den Nägeln zerfurchen, ich hörte sie heulen … Und bald heulte auch ich.
Die Koka begann ihre Wirkung zu tun, die Chicha verstärkte sie. Sehr schnell spürte ich die Müdigkeit nicht mehr. Ich war wie außer mir, und die langgedehnten Schreie, die ich ausstieß, geißelten meinen Körper wie Peitschenriemen und stachelten mein Blut. Ich wurde leicht, frei von meinem fleischlichen Gewicht, von Kummer und Sorgen, wunderbar leicht, wunderbar klarsichtig.
Ein strahlender Weg eröffnete sich mir. Der Inka hatte ihn gebahnt. Und ich hörte ihn, den Göttlichen, hörte seine Stimme, die mich Schritt für Schritt zu den lodernden Feuern lenkte, wo die Würger ihre Arbeit aufgenommen hatten und die mir bestimmte Kordel bereithielten.
Viele andere Frauen waren der Stimme schon gefolgt. Ein frommes Kommen und Gehen stellte sich ein. Die Leichen wurden weggetragen, von Klagenden begrüßt. Man würde sie einbalsamieren und mit kostbaren Stoffen bekleiden. Aufgereiht lägen sie bei der Totenfeier zu Seiten des Inka. So hätte er wie zu Lebzeiten seinen Hof von Frauen um sich. Und selig würden sie dann mit ihm in die Ewigkeit der goldenen Tage eingehen. So war ihre Wahl. Es war auch die meine. Mir schien, ich hätte Flügel, so sehr eilte ich diesem Glück entgegen.
Im Purpurschein der Feuerstätten lohten blutfarben die Gesichter. Schwerer Verwesungshauch entstieg den zertretenen Blumen und Blättern, mischte sich mit den Gerüchen der überhitzten Leiber. Das Gedröhn der Trommeln drang mir bis ins Mark. Hechelnd kam ich den zärtlichen Henkern Schritt um Schritt näher, die mich von einem überflüssigen Dasein erlösen sollten, und als die Menge mich endlich nach vorn trug, richtete ich meinen Blick fest auf sie.
Inmitten eines weiten Kreises, den der Respekt gebildet hatte, gingen die Würger von einer der Kauernden zur anderen. Die an der Reihe war, bäumte sich auf, hob mit beiden Händen ihr Haar, und mit der Geste eines Liebhabers, wenn er der Geliebten ein Geschmeide um den Hals schließt, legte der Würger ihr sanft die Kordel um. Dann zog er zu. Die Frau brach zusammen. Übrigblieb ein Häufchen Stoff unter einer Haarflut. Wie viele schon tot waren? Wie viele noch starben? Hunderte und Aberhunderte gewiß. Je größer die Herrschaft des Inka gewesen war, desto heißer begehrten die Herzen, ihm in seiner Glorie zu folgen.
Diese Glut, diese Inbrunst, mit der wir uns dem Opfer entgegendrängten, verlangsamte seine Vollendung. Fiebernd, unbeweglich standen wir und warteten. Wir waren zu viele. Man hatte einen zweiten Würger holen müssen, einen dritten und vierten. Ihre ehernen Gesichter glänzten wie geölt im Flammenschein. Sie waren schön. Für diesen Dienst wurden stets nur schöne Männer ausgewählt, denn es erhöhte unsere Ungeduld, in ihren machtvollen Händen auszuhauchen.
Die Umstehenden machten es sich zur Pflicht, uns in der
Weitere Kostenlose Bücher