Die Favoritin
Die Männer dort sind lasterhaft, die jungen Mädchen stehen in dem Ruf, schon ganz erhitzt von der Glut, die im Leib ihrer Mütter herrscht, geboren zu werden. Ich hatte Taulichusco bald im Verdacht, daß er die Yunga zur Perversität angestiftet hatte mit dem Ziel, sich in die Huld Huayna Capacs einzuschleichen. Ich wurde älter und begann Fäulnis um mich zu wittern. Doch half mir dieser Anfang von Scharfsicht nicht weiter. Wenn der Blick des Inka sich abwendet, gibt es kein Zurück.
Meine einzige Hoffnung war, daß er es satt werden würde, seine Lust mit einer Schlange zu teilen.
Die weitere Reise war traurig. Allein in meiner Sänfte, irrte ich durch die schwarzen Tiefen meiner Gedanken.
Endlich langten wir in Quito an; wir bezogen Tumipampa, die Residenz des Inka. In der Ferne zackten sich schneebedeckte Kegel. Weite Gärten umgaben den Palast. Ihre Pracht linderte für Augenblicke meine Trübsal.
In diesen Gärten, ebenso wie in den Gärten unserer Tempel und der anderen kaiserlichen Paläste, ist nichts mehr von dem übrig, was ihren Märchenzauber einst ausmachte. Denn zur Verzückung der Inkas nutzten unsere Goldschmiede die natürlichen Schönheiten, die unseren Herzen teuer sind, als Schreine ihrer Kunst und vermählten die Gaben der Erde mit ihren prunkvollen Erfindungen. In den Gärten von Tumipampa sprossen goldene Blumen in Fülle, dazu Bäume, Büsche, Sträucher, behangen mit Beeren oder anderen Früchten, auch alle aus Gold. Wenn die Sonne schien, war es ein einziger Glanz: Tausende sprühender Pfeile schwirrten durch die natürlichen Laubmassen! Von Gold war auch die Tierwelt, alles, was man zufällig am Wege trifft oder was auf Bäume klettert. Sogar ein Maisfeld gab es, und so echt von den Goldschmieden nachgeahmt, daß man sich zu allen vier Jahreszeiten in der gesegneten Erntezeit wähnen konnte.
Als die Spanier dies Gold entdeckten, taten sie etwas, das uns erstarren ließ. Für uns dient Gold nur dazu, die Augen zu bezaubern – deshalb war es der Elite vorbehalten. Eure Landsleute sahen in ihm nur einen bestimmten Handelswert, und sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als alles zu Barren einzuschmelzen, die Blumen, die Blätter und Früchte, die Bäume, den Mais wie die Vielzahl kletternder und kriechender Tiere, Insekten, Hasen, Wildkatzen, Rehe, Vögel, alles, was einst die Spaziergänge unseres Gebieters erheitert hatte, all diese Wunder, die so kunstreich erdacht worden waren, so fein ziseliert und mit soviel Liebe aus dem kostbaren Metall getrieben. Jetzt zirkuliert das namenlos, seiner Schönheit beraubt, als Zahlungsmittel in schmutzigen Händen … Geld ist gewiß das Zeugnis einer sehr viel klügeren und erfinderischeren Gesellschaft als der unseren, aber ich gestehe, daß ich auf die Wohltaten, die sie bringen soll, noch warte. Unser auf Tausch basierender Handel war eine Ermunterung zu arbeiten und sein Können zu entwickeln. Der Eure scheint mir schäbige, ja verbrecherische Begehrlichkeiten zu begünstigen. Ich habe mir erlaubt, diese Meinung vor dem Vizekönig zu äußern. Er lachte. Und wißt Ihr, was er mir zur Antwort gab? »In jedem Indio, selbst in dem kultiviertesten, steckt immer noch ein Rest Barbarei.« Ich lachte auch.
In Tumipampa bezog ich das Quartier, das die Acllas bewohnten. Ich war nurmehr eine unter anderen in der Schar, und wie ich das verabscheute!
Aus Stolz gegenüber denen, die ich selbst in Cuzco entthront hatte und deren Genugtuung ich mir vorstellen konnte, bemühte ich mich, meine Gefühle zu verbergen. Aber mit Freuden hätte ich mein Silberarmband einem Hexer geopfert, wenn ich nur einen gekannt hätte, damit er die Yunga verwünsche und ihr Eulenklauen an den Leib zaubere.
Doch wie sonderbar das Leben spielt: Es waren die Spanier, die mich von ihr erlösten!
Ihr Erscheinen in unserem Land, in Tumbez, einer Stadt am Meer, das dem Inka wenige Tage nach unserer Ankunft gemeldet wurde, bekümmerte ihn außerordentlich.
Als wir uns über seine Schwermut befragten, erfuhr ich, daß vor etwa fünfzehn Jahren ein Seher ihm die Ankunft von Fremden geweissagt hatte, Fremden mit einer Haut wie gekochter Fisch, roten oder gelben Haaren und gerüstet mit donnernden Waffen, mörderischer als der Blitz. Der Seher hatte außerdem gesagt, diese Erscheinung werde dem Tod des Inka und der Auslöschung unseres Reiches vorangehen.
Obwohl die weißen Männer fast sofort wieder aufs Meer gesegelt waren, dorthin, woher sie kamen, beschloß Huayna Capac, ohne
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