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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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ausgesprochene Worte verpflichten zu nichts.
    Da der Inka also die Teilung beschlossen hatte, entsann ich mich wieder der Drohungen der Coya. Aber was hätte ich tun können? Eine Frau kann den Sinn ihres Gebieters nur über ihren Körper beeinflussen. Und was konnte Rahua Ocllo mir nehmen, das ich nicht schon verloren hatte? Dennoch fürchtete ich ihren Zorn, wenn sie die Nachricht erführe. Man flüsterte, sie verwende mit Vorliebe Gift. Ich ließ meine Nahrung also von einem Meerschweinchen vorkosten. Dann kamen neue Sorgen, und ich vergaß es.
    Die bösen Vorzeichen mehrten sich. Ein grüner Komet erschien am Himmel. Der Blitz schlug in den Palast ein. Ein einhelliges Zeichen: die Götter richteten ihren feurigen Finger auf uns und schickten uns ihren Fluch! Und die Priester, die Magier hörten nicht auf, das nahe Ende des Inka zu weissagen und vor den grausamen Folgen zu warnen.
    Durch die Belehrungen Eurer Landsleute aufgeklärt, weiß ich jetzt, daß es Torheit ist, zu glauben, man könne die Zukunft aus den dampfenden Eingeweiden eines Lamas lesen … was sage ich: eine Sünde! Und doch kann ich mir noch immer nicht erklären, wie unsere Magier mit solcher Genauigkeit vorhersehen konnten, welche Schrecken über uns kommen sollten.
    Nachdem Huascar und Manco abgereist waren, befiel Huayna Capac ein bösartiges Fieber. Die Ärzte vermochten nichts. Für den Inka war der Augenblick gekommen, zu seinem Vater der Sonne einzugehen, er wußte es.
    Bevor er starb, versammelte er seine Verwandten, seine Feldherren und die mächtigsten Curaca um sich und erklärte ihnen, es würden bald Fremde auftauchen, die nämlichen, die man in Tumbez gesehen hatte, sie würden sich unseres Landes bemächtigen, und wir sollten ihnen gehorchen, wie es die Prophezeiung empfahl und weil es weiser sei, sich jenen zu unterwerfen, die uns in allem überlegen seien, als gegen sie zu kämpfen.
    Ich habe diese Rede Huayna Capacs mehreren Spaniern wiederholt – auch den Brüdern Pizarro –, und ich sage Euch, Pater Juan, so wie ich es ihnen sagte, diese Worte des Inka waren für das Schicksal unseres Volkes entscheidender als jede Verwegenheit und Tapferkeit der Eurigen!
    Wie es unsere Gesetze vorschrieben, blieb der Tod des Herrschers geheim, bis die Provinzgouverneure überall für die friedliche Machtübernahme gesorgt hatten.
    Tumipampa hallte von unseren Klagen wider.
    Versucht Euch die Erde in schweren Finsternissen vorzustellen, und Ihr begreift, was wir empfanden!
    Zahllose Acllas opferten ihr schönes Haar zum Zeichen der Trauer und des Grams. Mit dem Leben des Inka stand ihr Leben still. Auch das meine. Was sollte aus uns werden? Einige würden Grundbesitz erhalten und sich mit Vermögen und Ehren zurückziehen. Andere würden mit der Aufgabe betraut werden, über den toten Inka in seinem Palast zu wachen. Ein begehrtes Amt. Wir Jüngeren, die seine Gunst nur kurze Zeit genossen hatten, durften allenfalls hoffen, in die Frauenschar des neuen Inka als deren Dienerinnen aufgenommen zu werden. Und was würden wir, da wir nicht mehr neu waren, in ihren Augen gelten!
    Das Herz Huayna Capacs blieb, seinem Wunsch gemäß, in Quito. Sein Leib wurde nach Cuzco überführt.
    Wir hatten bei der Einbalsamierung geholfen. Nachdem die inneren Organe entfernt waren, wurde der Leichnam der Wirkung von balsamischen Substanzen ausgesetzt, das waren Honig, Harz sowie andere Ingredienzien, deren Geheimnis die Priester hüteten. Dann wurden die Beine geknickt, so daß die Knie ans Kinn reichten und er die Lage des Fötus einnahm, welche die erste unseres Daseins ist und also auch die letzte zu sein hat, um in die Gründe heimzukehren, aus denen wir gekommen sind. In der Weise verfuhren wir seit je mit unseren Toten, welcher Gesellschaftsklasse sie auch angehörten.
    Dann hüllten wir den Körper in drei weiße Leinentücher, danach in feine Gaze, dann bekleideten wir ihn mit dem Uncu, der Tunika aus Papageienfedern, gelb, rot, grün, türkisblau und ganz mit Goldpailletten übersät.
    Wir weinten. Ach, wie wir weinten!
    Trotz der Gewißheit, daß das Leben im Jenseits weiterging, war es furchtbar, den Gott, den wir angebetet hatten, so ohnmächtig, so leblos zu sehen, und schlimmer noch, den Mann, dessen Geschmack in der Liebe und dessen Schwächen wir kannten. Nur das Gesicht erinnerte noch an ihn. Unversehrt, sehr schön, verjüngt. Ein Spitzenkragen aus steifem Leinen erhöhte seine Majestät, Zinnober gab Ohren, Stirn, Nase und Wangen die

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