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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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reinigen. Ich mußte schon einen sehr ernsten Grund haben, wenn ich ihn störte.
    Ich sprach, zeigte das Papier.
    Er sagte nichts.
    »Schickst du Krieger aus?« fragte ich. »Die Indios, die Zara in Villalcázars Auftrag entführt haben, können noch nicht weit sein.«
    »Sie haben Pferde, sie sind weit. Krieger ausschicken? Begreifst du nicht, was das bedeutet? Es ist eine Falle! Um unseren Aufbruch hinauszuzögern, Kräfte zu sammeln, uns zu umzingeln, mich gefangenzunehmen! Die Hunde sind zu allem fähig.«
    »Das glaube ich nicht. Villalcázar kann sich nicht damit abfinden, daß ich ihn verlassen habe.«
    »Nach so langer Zeit? Nimmst du dich nicht zu wichtig?«
    Ich war in zu großen Ängsten, um beleidigt zu sein.
    »Manco, was wirst du tun?«
    »So schnell wie möglich abziehen, hoch in die Berge.«
    »Und Zara … Zara!«
    Manco zuckte die Achseln.
    »Da ist nichts zu machen.«
    »Du hast sie nie geliebt!« schrie ich. »Sie ist Fleisch von deinem Fleisch, aber dir gilt sie nicht mehr als eine Handvoll Gras!«
    »Asarpay …«
    Ich fiel ihm zu Füßen.
    »Ich flehe dich an! Wenn du es nicht für sie tust, tu es für mich.«
    »Du machst mir Vorwürfe … Was habe ich getan, als die Spanier Titu Cusi verschleppten? Ich habe abgewartet. Zu einem günstigen Augenblick haben die Unseren ihn zurückgeholt. Auch für deine Tochter wird die Zeit kommen. Man muß warten.«
    »Warten! Titu Cusi kam nach zwei Jahren wieder … Zwei Jahre! Zwei Jahre warten, vielleicht noch länger, und wer sagt uns … Titu Cusi hatte seine Mutter bei sich, aber Zara … so klein, so allein zwischen Menschen, deren Sprache sie nicht versteht! Wer sorgt für sie? Wer ist für sie da, wenn sie friert oder Hunger hat oder Angst …«
    Mit meiner Beherrschung war es vorbei.
    Die Seele anderswo, mit jenem Ausdruck, den man an ihm kannte, wenn seine Entschlüsse gefaßt waren, begann Manco sich anzukleiden.
    Mir dröhnte der Kopf wie eine Glocke. Der Gewohnheit gehorchend, stand ich schluchzend auf, um seinen Lendenschurz zu schließen, als plötzlich ein Gedanke mir die Augen trocknete. Ich ließ den Stoff fahren und suchte Mancos Blick.
    »Wenn du nichts tun willst …«
    »Ich kann nichts tun.«
    »Aber ich kann. Ich gehe nach Cuzco und hole Zara zurück.«
    »Nach Cuzco gehen! Bist du verrückt? Sie fangen dich, foltern dich, bis du ihnen sagst …«
    »Was denn? Wo unsere Stadt liegt? Ich habe die Reise in geschlossener Sänfte gemacht. Ich weiß nicht, wo die geheimen Tunnel und Pässe sind. Ich kenne nur die Straße, die zum Berg führt. Und die kennt jeder: sie wird ständig von deinen Kriegern bewacht.«
    »Du weißt nichts, aber wissen die das?«
    »Ist mir egal! Die wirkliche Folter ist, an Zara zu denken, wie allein sie ist, ohne mich, und nichts zu tun.«
    »Du gehst nicht, ich verbiete es dir. Der Inka verbietet es dir.«
    Ich hatte dem Mann zuviel gegeben, um den Gott zu fürchten.
    »Ich gehe«, wiederholte ich.
    »Du gehst nicht.«
    »Ich gehe.«
    Er streckte die Hand aus.
    »Ich müßte dich töten.«
    »Tu es. Es kostet dich weniger, als mir meine Tochter wiederzugeben.«
    Manco begann zu schreien.
    »Wenn du gehst, wenn du zu diesem Mann gehst, dann komm nie zurück! Und wenn er dich dem Henker ausliefert, rechne nicht mit unserer Hilfe. Nicht du gehst – ich verjage dich.«
    Ich legte die Kleider einer Dienerin an, flocht meine Haare wie die Frauen aus dem Volk, versah mich mit einer Decke, ein wenig Dörrfleisch, ein paar Maiskolben, verbarg meine Kokatasche und meine Smaragdkette unterm Gewand und nahm Abschied von Qhora und Inkill Chumpi. Qhora bettelte sich heiser, wälzte sich am Erdboden, ich ließ mich nicht erweichen, sie mitzunehmen.
    Gegen Abend traf ich auf spanische Caballeros. Ich sah auch einen Zug, der einem Curaca voranschritt, der sich in einer prächtigen Sänfte spreizte. Aber er war nur der Sklave der ersteren. Die Feldbauterrassen, die wie Freitreppen an den Talhängen niederstiegen, wirkten gut unterhalten. Es war Mai. Die meisten Felder waren schon abgeerntet. Ich schloß mich einer Gruppe von Männern und Frauen an, Bauern, die nach Cuzco gingen. Sie waren weder gesprächig noch neugierig. Abends entzündeten sie ein Feuer. Die Frauen kochten eine dicke Suppe aus Quinuamehl. Ich steuerte ein paar Scheiben Chuqui bei. Und wir betteten uns in einer Erdkuhle.
    Müdigkeit vertrieb die Verzweiflung. Ich schlief ein, Zaras Gesichtchen unter den Lidern, beim Erwachen würde sie gleich wieder

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