Die Favoritin
fast fünf Jahren hatte ich Villalcázar nicht mehr gesehen, doch war er keiner von denen, die man vergißt. Seine Gegenwart erstaunte mich. Ich hatte ein ungutes Vorgefühl.
Er und sein Gefährte, Alonso Medina, ein Edelmann aus Pizarros Gefolge, verneigten sich vor Manco.
Dann sprach Villalcázar, seinen Dolmetscher übergehend, mich in einem Ton an, als wären wir uns erst am Vorabend begegnet. Es war ein Affront. Unsere früheren Beziehungen derweise hervorzukehren konnte Manco nur verstimmen. Doch wie ich Villalcázar kannte, hatte er es absichtlich getan.
»Dich wiederzusehen ist immer ein Vergnügen. Du siehst wunderbar aus … Das Pferd ist ein Geschenk des Marqués. Er bittet den Inka, es als Freundschaftspfand anzunehmen.«
Obwohl ich mein Kastilisch durch Gespräche mit unseren Gefangenen geübt hatte, übersetzte ich stockend. Die Worte wollten sich mir nicht fügen. Verwirrt spürte ich, daß Manco starr war vor Empörung.
»Sage diesen Männern«, sprach er, »daß auch ich ein Geschenk mitgebracht habe, aber daß ich es mit meinem Dank für seine Aufmerksamkeit nur in Pizarros eigene Hände legen werde.«
Wieder verneigte sich Villalcázar.
»Der Marqués ist unpäßlich. Er hat uns beauftragt, die Verhandlungen aufzunehmen. Wenn wir zu einer Übereinkunft gelangt sind, wird er sich herbemühen, sie zu unterzeichnen und sich mit dem Inka gegebenenfalls über die Punkte zu verständigen, die offenbleiben sollten.«
»Das war nicht vereinbart«, sagte ich.
Villalcázar lächelte.
»Der Marqués hat es so verfügt.«
»Der Inka will nur mit ihm verhandeln. Er wird gekränkt sein.«
»Begnüge dich bitte zu übersetzen.«
Ich wandte mich zu Manco.
Seine Reaktion erfolgte unmittelbar, genau so, wie ich sie befürchtet hatte. Er erhob sich und versetzte den goldenen Schüsseln vor ihm einen Fußtritt.
»Sprache von Schlangen und Herzen von Verrätern! Der Inka verhandelt nicht mit Männern, die vor Pizarro den Rücken beugen, der Inka verhandelt nur von Fürst zu Fürst. Diese Männer sollen verschwinden, sonst töte ich sie. Die Audienz ist beendet.«
Villalcázar hob die Hand zum Zeichen der Beschwichtigung.
Manco brüllte.
»Und sag dem da, er soll sich nie mehr unter meine Augen wagen, sonst mache ich aus seinen Därmen Sehnen für meine Schleuder.«
Dann setzte er sich wieder, kreuzte die Arme.
Ich übersetzte.
Villalcázar glättete seinen Filzhut. Er lachte.
Ungewollt bewunderte ich seine Verwegenheit. Wir hatten Tausende Krieger bei uns, bereit, ihn zu überwältigen und in Stücke zu hacken, und er wußte es durchaus.
»Ich habe den Marqués gewarnt«, sagte er. »Der ›Indier‹ ist ein Affenkopf. Den kriegt man nur klein als Toten … Bis bald, meine Allerschönste.«
»Hast du nicht gehört, was der Inka gesagt hat? Er tötet dich, wenn du noch einmal vor ihm erscheinst.«
»Keine Sorge. Bei unserem nächsten Wiedersehen ist er nicht dabei.«
Er entbot Manco einen sehr förmlichen Gruß. Alonso Medina tat es ihm nach, und sie gingen. Der Dolmetscher und der Soldat waren schon weit.
Das erste, was Manco hierauf befahl, war, das hübsche kleine Tier an einem Baum aufzuhängen.
Schweigend wohnten wir der Exekution bei. Wir standen versteinert, befürchteten weitere Zornesausbrüche. Als das Tier aber mit den letzten Zuckungen verendet war, verlangte er lediglich ein frisches Mahl.
Die Frauen räumten eilends die Matten fort, über die sich der restliche Inhalt der Schüsseln ergossen hatte. Matten wie Speisen wanderten ins Feuer. So war es geboten. Was auch immer der Inka berührt hatte, ob Speisen oder Gewänder, es wurde nach dem Gebrauch zu Asche, die Asche wurde in Körben gesammelt und einmal im Jahr in alle Winde gestreut.
Während die Frauen eifrig schafften, berief Manco seine Hauptleute zu sich und verkündigte ihnen, das Lager werde abgebrochen. Er sagte es in fröhlichem Ton, und auf einmal begriff ich, daß ihm Pizarros Fernbleiben ganz recht gekommen war. Daß er sogar darauf gehofft hatte und in das Treffen viel mehr eingewilligt hatte, um seinem Stolz zu genügen, indem er sich in allem Gepränge zeigte, als um über einen Frieden zu verhandeln, der seinem Wesen zuwider war. Diese Feststellung verletzte mich.
Er aß mit bestem Appetit, trank dann drei Becher Chicha und zog sich mit zwei reizenden Jungfrauen zurück, die ihm ein Curaca auf dem Herweg dargeboten hatte.
Wenigstens konnten wir nun unsere Glieder lockern. Im Lager wurde schon zum Aufbruch
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