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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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gerüstet.
    Mein Zelt lag auf den Höhen, unweit von Mancos Zelt. Es war noch nicht abgebaut. Ringsum sah ich Diener und meine Qhora, die wild gestikulierte. Sie hielt inne, als sie mich erblickte, brach in Schluchzen aus, warf sich mit dem Gesicht zu Boden, richtete sich auf. Ihr Gesicht war grau, ihre Augen schreckensweit.
    »Qhora!« schrie ich, »was ist denn?«
    Ich blickte mich um.
    »Wo ist Zara?«
    Sie gab keine Antwort.
    »Wo ist Zara?«
    »Sie haben sie geraubt, sie haben das Kind geraubt …«
    Ich packte sie, schüttelte sie.
    »Geraubt! Was redest du?«
    Und da Qhora stumm blieb, stumpfsinnig schluchzte, an ihren Tränen würgte, tat ich, was ich noch nie getan hatte, ich schlug sie.
    »Es waren zwei Männer … zwei Männer, anscheinend Unsrige«, sagte sie. »Ich kämmte Zara, als sie ins Zelt traten, ich dachte, sie holen deine Sachen … Ich hatte alles gepackt, weil es hieß, wir brechen auf … Sie haben mich niedergeschlagen. Als ich zu mir kam, war Zara nicht mehr da. Zuerst dachte ich … Sie ist doch so verspielt! Aber draußen war sie nicht, die Diener hatten sie nicht gesehen, und ihre Decke war verschwunden. Sie werden sie hineingerollt und weggeschleppt haben. Wer hätte sie in dem Durcheinander bemerkt! Ich wollte es dir gerade melden … Unsere Blume, unser Täubchen …«
    Ich ließ sie jammern und versuchte, klar zu denken. Zara geraubt? Warum? Von wem? Es ergab alles keinen Sinn. Und plötzlich fiel mir ein, wie der kleine Titu Cusi entführt worden war, Mancos Liebling …
    Qhora zerrte an meinem Rock.
    »Sie haben das Ding hier an meine Brosche gespießt. Vielleicht verstehst du, was es heißt.«
    Ich riß ihr das ›Ding‹ aus den Händen. Ein Stück Papier. Darauf Schriftzeichen, wie die Weißen sie schreiben. Ich rannte los.
    Man begann die Lamas zu beladen. Die Zelte fielen eins nach dem anderen. Die Krieger sammelten sich. Ich sprach einen an, befragte ihn und rannte weiter den Hang hinunter, ohne Rücksicht auf mein Bein.
    Die spanischen Gefangenen standen, einen Strick um den Hals, die Beine gefesselt, an einen Baumstamm gebunden. Ich trat in den kühlen Schatten und streckte einem das Papier hin.
    »Lies!« sagte ich.
    Es war ein blutjunger Bursche, ein Schneiderlehrling, der zu seinem Unglück sich in einem Zug befunden hatte, den Manco überfiel. Als er in unserer Stadt anlangte, sah er aus wie ein Mädchen, blond und sanftmütig. Jetzt war er dürr, vom Fieber ausgezehrt, und seine Brauen hingen herab. Nie hatte er eine Waffe geführt, war aber geschickt mit der Nadel. Manco hatte ihn zur Pflege seiner europäischen Kleider angestellt. Er erinnerte mich entfernt an Martin de Salvedra. Von Zeit zu Zeit steckte ich ihm ein paar Kokablätter und ein bißchen Fleisch zu.
    »Lesen ist nicht meine Stärke«, sagte er. »Zum Glück ist es kurz.«
    »Was steht auf dem Papier geschrieben?«
    Stotternd las er: »Wenn du deine Tochter willst, komm sie in Cuzco holen. Allein. Bartolomé.«
    Ich lief wieder hinauf, zu Mancos Zelt.
    Eines der Mädchen lag schlaff in einem Winkel, das andere, die Tunika geschürzt, unter ihm. Ich kauerte mich hin, wartete, bis Manco fertig wäre. Meine Gedanken drehten sich im Kreis, zerflatterten, ohne daß ich einen zu fassen vermochte. Mir tat alles weh. Zu denken, daß Zara … Pater Juan! es war, als hätte man mich mittendurch geschnitten!
    Ich zwang mich zur Ruhe. Manco würde entscheiden. Er würde wissen, was zu tun sei.
    Das Mädchen schrie zum erstenmal als Frau. Mancos schwerer, prächtiger Körper bedeckte sie, nur ein Bein war, zierlich und braun, über das Lager gestreckt.
    Manco löste sich von ihr, drehte sich um, sah mich. Die Kleine auch. Ein Wink von ihm, und sie richtete sich auf, schlug ihre Tunika herunter und entfloh, eine kleine Gestalt unter einer Flut von Haaren. Die andere folgte ihr.
    Ich beherrschte mich. Es wäre verfehlt gewesen, Manco mit tränenschwerer Stimme anzusprechen. Laut und klar mußte ich sein, als verstünde es sich von selbst, daß vom Vater die Hilfe käme, die mir meine Tochter wiedergeben konnte. Aber mit einemmal war ich mir dessen nicht mehr so sicher … Ich näherte mich dem Lager.
    Manco erhob sich.
    »Was willst du?«
    Sein Ton war nicht eben liebenswürdig.
    Dabei kannte er mich zur Genüge und wußte, daß ich nie, selbst in der Blüte unserer Liebe nicht, wegen seiner Lustbarkeiten würdelos gegrollt hatte, die schließlich nur eine Art unter anderen sind, den Körper von Erregungen zu

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