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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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um mich sein. Ich vermied es, an Villalcázar zu denken. Der Wunsch, ihn umzubringen, hätte meine ganze Kraft verschlungen. Später! Fürs erste, sofern sich keine andere Möglichkeit bot, Zara zurückzubekommen, war ich zu allem, was er wollte, bereit. Er hatte es beim Namen genannt, als wir uns damals bei Hernando Pizarro begegneten, während Manco in Sacsahuaman gefangensaß: »Jegliches hat seinen Preis.«
    Unser Weg führte unterhalb meines Palastes entlang. Ein Spanier in weißem Filzhut und granatfarbenem Samtmantel erklomm zu Pferde den Berghang. Zwei Neger folgten ihm neben einem Karrenwagen, den vier mit Pompons und Schellen gezäumte Maulesel zogen.
    Die Bauern, in deren Gesellschaft ich mich befand, redeten über Marca Vichay. Aus ihrem Ton klangen Respekt und Furcht. Mein Canari war eine Persönlichkeit geworden und gebot über einen Teil des Tals.
    Gern wäre ich zu meinem Palast hinaufgestiegen, aber ich widerstand. Zara zog mich vorwärts.
    Am vierten Tag gegen Mittag betrat ich Cuzco.
    Es ist etwas Sonderbares, Pater Juan, an einem Ort, an dem man gelebt hat und dessen Bild die Erinnerung verehrt, sich vollkommen fremd zu fühlen.
    Ich erkannte unsere Stadt nicht wieder! Sie war in die Höhe gewachsen, trug andere Farben, hatte alle Majestät eingebüßt. Über den steinernen Mauern unserer Paläste und Tempel, die dem großen, von Manco gelegten Brand widerstanden hatten, erhoben sich Putzfassaden, weiß, ockerfarben, rosa, hellgrün oder blau, von frivolen Fenstern mit schmiedeeisernen Schnörkeln durchbrochen. Manche hatten drei Stockwerke, ich sah es verstört. Diese aufstrebenden, schwindelerregenden Bauten, die uns den Himmel verbargen, trugen seltsame geschwungene Dächer. Wo waren unsere edlen, ebenerdigen Perspektiven hin, wo unser blondes Stroh, wo befand ich mich? In einer gestorbenen Stadt. Auf ihre Gebeine, auf meine Erinnerungen hatten die Spanier ihre Stadt gestellt.
    Wie eine Schlafwandlerin gelangte ich zur Huacaypata … Verzeihung! Zur Plaza Mayor. Ich trank am Brunnen, erfrischte mein Gesicht, meine Kleider. Ich löste meine Zöpfe und kämmte mich. Aber ich setzte mich nicht, ich wäre nicht mehr hochgekommen.
    Als ich nach dem Haus von Bartolomé Villalcázar fragte, wiesen zehn Arme auf eine der in den Platz mündenden Straßen, und von fern erblickte ich das kostbare Spitzenwerk aus geschnitztem Holz, das als Balustrade um das erste Stockwerk lief.
    Zu denken, daß dort mein kleines Mädchen sein könnte … Mir klopfte das Herz, ich vergaß meine blutenden Füße und lief los.
    Ein hohes, silberbeschlagenes Portal fügte sich unter dem granitenen Türsturz, einem Rest der Vergangenheit, in die Fassade. Ein Flügel war angelehnt. Ich schlüpfte hindurch.
    Unnütz, Pater Juan, Euch die gedielte Halle zu schildern, ihr wuchtiges Mobiliar, die Treppe mit dem schönen Zedernholzgeländer, Ihr kennt das Haus, denn dort empfing ich Euch … Nein. Fragt nicht, wie ich zu dem Besitz kam, und drängt jetzt nicht, es zu erfahren, es wird Euch nicht gefallen. Bleiben wir zur Stunde bei der Frau, die ich war, eine arme, erschöpfte junge Frau, die ihr Kind wiederhaben will.
    In der Halle zögerte ich. Mich verwunderte, daß sich keine Dienerschaft zeigte. Hinten sah ich in einen Hof, wo angebunden Pferde standen. Ich nahm die Treppe. Meine Knie zitterten. Diese sich in die Höhe schwingende Stufenfolge hatte nichts mit den Treppen unserer Stadt gemein, die direkt dem Felsen entsprangen.
    Rechts von der Treppe stand eine Tür offen. Heraus drang monotones Gemurmel. Vorsichtig trat ich näher. Mitten im Raum erstreckte sich auf einem schwarz verhangenen Sockel einer dieser entsetzlichen langen Holzkästen, in die Ihr Christen Eure Toten sperrt. Kerzen vergoldeten mit ihren Flammen einen blonden Frauenkopf, der auf einem seidenen Kissen ruhte. Es war die erste weiße Frau, die ich je sah. Krankheit oder Tod hatten ihr Fleisch geschmolzen. Die tief bleiche Gesichtshaut umkleidete eine zerbrechliche, kindliche Knochenform. Die über einem Kruzifix gefalteten Hände waren nicht mehr jung.
    Das Kerzenlicht verbannte die Anwesenden ins Dunkel. Undeutlich erkannte ich an Einzelheiten der Gewänder, daß dort mehrere Spanier standen, dann zwei Geistliche, die ihren Rosenkranz beteten, und dahinter knieten eine ganze Anzahl Indios beiderlei Geschlechts, die mit erheuchelter Inbrunst zu dem fremden Gott beteten, der sie ernährte.
    Villalcázar war nicht da.
    Ohne mir dessen bewußt zu sein, war

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