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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Haus ist abgebrannt, Villalcázar läßt es wieder aufbauen.«
    Er band das Pferd unterhalb des Vorsprungs an einen Baum.
    Wir stiegen zu den Hütten hinauf. Ringsum war das Gelände geräumt und rundete sich vor der Baustelle zum Platz.
    »Merkwürdig«, murmelte Martin, »wo sind die Bauleute?«
    Da hörte ich die Klagen.
    Eine Frau heulte mit jener düsteren, kehligen Stimme, die bei uns immer von Unheil kündet. Die Stimme kam aus einer der Hütten.
    »Da ist etwas geschehen«, sagte ich. »Martin! Martin! Bitte!«
    Schweiß brach mir aus allen Poren, ich zitterte, und ich erinnere mich, daß ich über einen Stein stolperte. Martin hob mich auf.
    »Beruhigt Euch. Es muß einen Unfall gegeben haben … einer der Bauleute. Vielleicht warten wir besser. Es wird schon jemand herauskommen.«
    Ich riß mich los.
    »Warten? Wartet, wie Ihr wollt! Ich gehe hinein, ich will mein Kind!«
    Ich bückte mich tief, kroch ins Innere der Hütte. Dunkel umfing mich. Ich stieß gegen Schatten. Zwei Männer. Ich erriet es an ihrem Schweigen. Unsere Männer sind nur laut im Krieg, im Rausch oder in der Freude. Irgendwo in dem Raum klagte weiter die Frau. Martin war mir nachgekommen.
    »Zara! Zara!« schrie ich.
    Eine Männerstimme fragte: »Was willst du?«
    Wie unter uns vereinbart, sagte ich: »Dieser Fremde ist ein Verwandter von Señor Villalcázar. Wir wollen das kleine Mädchen abholen, um es nach Cuzco zu bringen.«
    »Es ist ein großes Unglück geschehen«, sagte der Mann.
    Ich stieß ihn beiseite, drang weiter vor in das Dunkel.
    Zara lag auf einer Decke, in ihrer weißen Tunika mit den roten und gelben Blumen, die ich ihr gestickt hatte, die Haare ordentlich zu beiden Seiten ihres lieblichen Gesichts. Ich warf mich über sie, umarmte sie, rief sie an. Ich wollte nicht glauben, was meine Augen sahen, meine Hände fühlten. Es konnte nicht sein! Und ich betastete sie weiter, redete zu ihr, rüttelte sie beinah …
    »Asarpay«, flüsterte Martin.
    »Laßt mich, laßt mich!«
    Nun redete die Frau.
    »Ein schönes Kind, und so lebhaft! Wir waren Kräuter pflücken für die Suppe. Aber den Bauleuten zusehen, das machte ihr solchen Spaß. Ich hatte es ihr verboten, aber sie ist mir ausgerückt … Meine Beine sind nicht mehr gut, verstehst du … Sie ist zu dem Gerüst gelaufen, ist über die Planken hochgeklettert, da verlor sie das Gleichgewicht. Ein Arbeiter sah sie fallen, sie hat sich das Genick gebrochen. Sie sind so zart in dem Alter! Ein Vögelchen! Und der Señor Villalcázar hat so sehr darauf gedrungen, daß wir gut auf sie achten! Ein Mann ist los, einen fremden Geistlichen holen, der im Dorf wohnt … Wegen der Beerdigung, verstehst du.«
    Beerdigung …
    Zara beerdigen! Mein kleines Mädchen nach den verdammten spanischen Bräuchen in die Erde legen, sie, die das Licht so sehr liebte, sie, die lauter Licht war!
    Ich wandte mich an Martin.
    »Sie erwarten einen Eurer Priester, um sie zu beerdigen. Aber das … das … niemals! Brechen wir auf.«
    Ich hob Zara in meinen Armen hoch.
    Pater Juan! wenn Ihr wüßtet, wie schwer das ist, der Körper eines toten kleinen Kindes!
    »Was tust du?« fragte die Frau.
    »Wir brechen auf.«
    Sie hängte sich an meinen Rock.
    »Du darfst nicht! Señor Villalcázar hat sehr auf das kleine Mädchen gehalten. Der Priester muß mit eigenen Augen sehen, daß wir sie nicht mißhandelt haben, sonst wird Señor Villalcázar …«
    »Was sagt sie?« fragte Martin.
    Während ich übersetzte, redete die Frau auf die Männer ein, Männer wie in meiner Ayllu, außer einem, der europäisch gekleidet war, ein Diener Villalcázars wahrscheinlich. Er wandte sich an mich, von oben herab, wie es Gemeine oft tun, sobald sie sich ein bißchen über ihresgleichen erhaben dünken.
    »Du schweigst, Frau. Geh oder bleibe. Aber das kleine Mädchen behalten wir.«
    Martin sagte leise: »Es sind zu viele. Um Eurer Sicherheit willen, Asarpay …«
    »Meine Sicherheit! Martin, Ihr wart sehr gütig. Jetzt geht, das ist nicht Eure Sache, mischt Euch nicht ein.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Haltet das Kind gut fest und folgt mir. Wir versuchen durchzukommen.«
    Villalcázars Diener, der ein paar Worte Kastilisch zu verstehen schien, streckte die Hand nach mir.
    »Du, wer bist du?«
    Ton und Gebärde rissen mich aus der Verzweiflung.
    »Faß mich nicht an!« schrie ich. »Wer ich bin? Sieh mich an, niederer Mensch, klägliche Larve, sieh mich genau an! Wo ich herkomme, würde man dich hängen dafür! Ich

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