Die Favoritin
bin Asarpay, die Mutter dieses mit dem Inka Manco, deinem Herrn und Gott, gezeugten Kindes. Sie stammt ab von unserem Vater der Sonne, ihr Fleisch ist genährt mit göttlichem Blut. Wage mich daran zu hindern, sie nach unseren Riten für das selige Leben im Jenseits vorzubereiten … Wage es, du hast das Recht. Aber zittere, zittert ihr alle! Der Inka ist allgegenwärtig, die Seinen finden euch, und wenn er euch zerstückelt und gepfählt hat, wenn ihr nur mehr Fleischfetzen an einem Pfahl seid, werden böse Geister und Würmer euer Herz verschlingen, ihr werdet Staub sein bis in Ewigkeit! Kommt, Martin.«
Ich trat vor.
Einer nach dem anderen wichen die Männer beiseite.
Draußen war es schön, das seidige Leuchten eines schönen Tages, der zu Ende ging.
Als ich sah, daß der Himmel an seinem Ort war und die Berge ragten wie je, ich glaube, in dem Augenblick habe ich wirklich begriffen, wie einsam ich nun sein würde.
Wir waren wieder die Straße geritten, dann abgebogen und befanden uns in einer Ebene voll hoher Gräser.
Martin half mir vom Pferd. Ich setzte mich, Zara in die Mantille gehüllt und an mich gedrückt. Seltsam, dieser sinnlose Wille der Lebenden, den Toten ihre Wärme zu geben. Ich hatte solche Angst, daß sie fror.
»Was wollt Ihr nun tun?« fragte Martin.
Es waren die ersten Worte, die er sagte.
Ich hatte nichts gedacht, aber ich wußte es sofort.
»Ich gehe nach Cuzco und töte Villalcázar.«
Martin setzte sich mir gegenüber.
»Seid ehrlich, es war ein Unfall.«
»Wenn er Zara nicht geraubt hätte, würde sie leben, es kommt aufs gleiche heraus.«
Martin seufzte.
»Früher, wißt Ihr, hätte ich versucht, Euch umzustimmen, ich kannte keinen Haß. Heute …! Nur, Asarpay, unter den jetzigen Umständen wäre es Wahnsinn. Eure privilegierten Beziehungen zum Inka Manco sind öffentlich bekannt. Ihr könnt in Cuzco jederzeit erkannt werden. Diejenigen Eurer Rasse, die sich mit den Pizarros verbündet haben, um ihre Besitztümer zurückzubekommen, werden Euch als erste verraten. Und Ihr seid nicht imstande … Entschuldigt, daß ich so hart zu Euch spreche, aber wer sich rächen will, muß leben und auf seine Zeit warten.«
Ich streichelte Zaras Kopf. Ich sah sie wieder, die Wangen vom Spiel erhitzt, die Haare wild durcheinander. Wieviel Leben war in ihr, wieviel Freude! Und damit brachen die Erinnerungen ab. Nichts käme mehr hinzu, kein Lachen, keine Tränen, kein Kummer oder Glück. Es war zu Ende, sie würde nicht erwachsen werden, würde nicht altern, ihr Bild war für immer erstarrt.
Martin stand auf.
»Habt Ihr nachgedacht? Wohin wollt Ihr? Ihr könnt sie unmöglich bis zum Inka mitnehmen. Sie … sie würde die Reise nicht überstehen. Sagt mir wohin? Ich helfe Euch.«
Martin hatte recht: Tote warten nicht. Zara in ihrer Anmut und Lieblichkeit zu erhalten war dringlicher als Villalcázar zu töten.
Ich grübelte.
Wohin? Ich dachte an meinen Palast. Oberhalb der Weiden gab es trockene, gesunde Grotten, geeignet für die Aufbewahrung einer Toten und das Wohlbefinden ihrer Seele. Aber wie käme ich dorthin? Die Spanier saßen fest in dem Palast, die Umgebung, das Yucaytal, wimmelte von Indios in ihrem Sold, Verrätern und Bekehrten. Träfe man mich mit der Leiche meiner kleinen Tochter an, man würde sie mir entreißen, sie in eine Kiste legen, und die Kiste in die Erde … Also, wohin? Und vor allem, wo fänden sich kundige Hände, sie zu bereiten, zu ölen, zu balsamieren, zu schmücken? Gewiß, in jedem Dorf kannte man die Geheimnisse, die Riten, aber Eure Religion, Eure Gesetze verboten es, unsere Verstorbenen auf unsere Weise zu ehren. Man tat es nur noch im geheimen, wo man unter sich war, in der Ayllu …
Ich unterbrach mein Grübeln.
»Martin, ich weiß, wohin ich will: nach Hause, in mein Dorf.«
»Wo liegt das?«
»Bei Amancay.«
»Ich bringe Euch hin. Es liegt ohnehin an meinem Weg. Ich gehe zurück nach Lima.«
»Bleibt Ihr nicht zum Begräbnis Eurer Schwester?«
»Denkt Ihr, ich würde mit Villalcázar an die Gruft treten, Sieger und Besiegter Seite an Seite? Dazu fehlt mir die gebotene Heuchelei.«
Ich sah ihn an.
»Martin, warum kehrt Ihr nicht heim nach Spanien? Almagro ist nicht mehr …«
»Aber Diego, sein Sohn. Ich bin ein sehr gewöhnlicher Mensch, Asarpay, aber treu in der Freundschaft. Diego braucht mich, wir haben noch einiges vor. Danach … Wer weiß!«
Wir trennten uns am Fuß der Pflanzterrassen. Die Ernte liegt hier später.
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