Die Favoritin
Männer und Frauen begannen gerade erst, die frisch geschnittenen hohen Maisrohre gebündelt aufzustellen. Die Kinder halfen. Die kleinsten waren auf allen vieren eifrig bei geheimnisvollen Dingen. Als ich so alt war wie Zara, fand ich es genauso lustig, die Myriaden kriechender Insekten zu ärgern, die das Menschengewühl aus ihren Löchern trieb. Nichts hatte sich geändert.
Pater Juan de Mendoza
12. Oktober 1572
Wie grausam hat das Leben diese Frau geschlagen! Trotzdem ist sie heiter und lacht gerne, ein gestählter Charakter, durch alle Arten von Unglück geprägt, aber auch durch Güte. Für Momente tritt die Seele in ihre Augen, und wie sie dann strahlen! Ach, ich fürchte, diese Seele ist für Dich, o Herr, verloren, und es ist unsere Schuld.
Die Träger sammeln sich, die Diener löschen die Glut, wir brechen wieder auf. Noch zwei oder drei Tage, sagt sie.
So gewaltige Sprünge die Temperatur auch macht, so daß ich abwechselnd schwitze und schlottere, die Landschaft, ein Chaos aus Felsen und mit braunem Buschpelz überzogenen Flanken, ändert sich kaum.
Allerdings beschränkt sich meine Aufmerksamkeit auf diesen Pfaden dicht an Abgründen entlang auch gänzlich auf meine Füße. Wirft man nur einen Blick in die Tiefe, stockt das Herz.
Gestern übermannten mich Schwindel und Schwäche. Sie zwang mich, Kokablätter mit einer Paste zu kauen, die ihre Wirkung zu verstärken scheint. Wunderbare Medizin! Danach sprang ich unbekümmert wie eine Ziege! Die Träger schmunzelten. Geteilter Alltag ebnet die Unterschiede ein. Lächelnd sagte sie: »Das nächste Mal, Pater Juan, werdet Ihr mir ohne Widerspruch gehorchen. Vergeßt nicht, daß Ihr mein Gefangener seid.«
Zieht sie den Strick allmählich enger, den sie mir um den Hals geworfen hat?
Herr, welche Gedanken das Nachdenken über sie meinem Geist auch immer eingibt, ich bin in Deinen Händen – und in ihren. Dein Wille geschehe.
Ich werde ihre Medizin erst wieder im Fall absoluter Notwendigkeit einnehmen. Es ist die Ehre eines Mannes, er selbst zu bleiben, was auch geschehe.
7
Ich glaube, ich habe Euch erzählt, Pater Juan, wenn ein kleines Mädchen in ein Acclahuasi eintritt, ist es für seine Familie verloren.
Mit der Pubertät wechselt es den Namen, anschließend erfüllt es seine Pflichten als Incap Accla am Hof zu Cuzco oder vermehrt die Zahl der Konkubinen eines hohen Herrn. Wie sollten die Angehörigen seine Spur jemals wiederfinden? Sie kamen auch gar nicht auf den Gedanken. Das Kind gehörte hinfort einer anderen Welt an, einer wunderbaren, magischen Welt, die ihnen verboten war.
Meine Ayllu hatte also nie die geringste Verbindung hergestellt zwischen der kleinen ›Maisregen‹, die einst vor langen Jahren nach Amancay ging, und Asarpay, der Frau, die ich geworden war, deren Liebe zu Huascar und zu Manco die Wanderheiler priesen und bis in die kleinsten Dörfer, hoch in den Tälern der Sierra, trugen … Daß ich unserem Curaca die Wahrheit enthüllte, geschah einzig, um Zara im Maße der Gegebenheiten eine Bestattung zu ermöglichen, die der Tochter des Inka würdig war. Der Schmerz tötete in mir den Stolz.
Der Curaca verstand es nicht so.
Als ich die Absicht bekundete, in die Hütte meiner Familie zu ziehen, schrie er auf. Meine Erzeuger waren lediglich Instrumente gewesen. Der ganzen Ayllu, deren Blut und erbliche Eigenschaften ich teilte, gebührte die Ehre, von den Göttern auserwählt worden zu sein und einer so erhabenen Bestimmung gedient zu haben, und er teilte sich sofort ein gut Teil davon zu, indem er mich nötigte, eine seiner Wohnungen, mit seiner zweiten Frau als Dienerin, anzunehmen.
In der Kindheit hatte ich mich den Frauen des Curaca nur mit gesenktem Blick genähert. Jetzt beugten sie sich vor mir und nannten mich ›Mutter‹, wie es bei einfachen Leuten ohne Ansehen des Alters der Brauch ist. Ihr Betragen war mir peinlich. Eindrücke der Kindheit sind zäh. Diese fast furchtsame Unterwürfigkeit, die ich in jedem Blick las und die mir noch mehr in den Augen meiner Mutter und meiner Schwester begegnete! Beide hatte die Zeit so zerfurcht, daß man ihre Gesichter verwechseln konnte, stumm, trübe, erdfahl.
Mein Vater hatte sich besser gehalten, aber aus seinem Mund, der früher so munter scherzen konnte, kamen nur noch Klagen. Seine Sorgen waren die des armen Mannes der Felder, der sich in Verhältnisse gestellt fand, über die er nichts vermochte, obwohl er die Folgen zu tragen hatte.
Wenn ich ihm zuhörte,
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