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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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hatte, weil er es nicht fertigbrachte, aus eigener Kraft die Karriere zu machen, die er anstrebte. Und die Kleine – sie mochte einmal bedauernswert gewesen sein, ein Baby, fortgegeben und verraten, vielleicht schrecklich einsam in der Feenwelt. Vielleicht aber auch nicht. Er vermochte sich nicht vorzustellen, wie sie gelebt haben mochte und wie sie wohl gewesen wäre, wenn sie bei jemandem wie Gin aufgewachsen wäre. Aber das zählte jetzt auch nicht mehr. Was zählte, war das, was sie jetzt war, oder nicht? Und das war ein aufgeblasenes, grausames Geschöpf, ein Zwischending aus verzogenem Rotzgör und Monster. Ja, Monster – schlimmer als der Kelpie. Und schlimmer als das, was er für die Schwarze Banshee gehalten hatte. Traumverloren, in einem Alptraum gefangen – von wegen. Mit einem Mal war er ganz sicher, dass sie sehr genau wusste, was sie tat. Vielleicht begriff sie es nicht, weil sie nie gelernt hatte, was es hieß, ein Mensch zu sein. Aber er hatte den Verdacht, dass sie es genau wusste. Und am Ende war auch das egal. Alles, was zählte, war, was sie jetzt war: ein Ungeheuer in der Gestalt eines Kindes. Irreparabel verkrüppelt, wenn auch nicht am Körper.
    »Ich«, sagte Leslie. Ihre Stimme war kaum zu hören. Sie räusperte sich mühsam und versuchte es erneut. »Ich …«
    »Nicht mal richtig sprechen kann sie«, bemerkte die Kleine mitleidig. »Ich … ich … äh, ich.« Es war eine lächerliche Grausamkeit von der Sorte, wie Benny sie vom Schulhof kannte, aber sie traf. Weshalb traf so etwas einen so hart?
    »Was … möchtest du von mir?«, fragte Leslie hilflos. »Warum dieses Treffen, wenn du nicht nach Hause willst?«
    »Ach«, seufzte die Kleine. Ihr hübsches Gesicht verzog sich zu einem Schmollen. Benny wusste, dass es reizend aussah, aber er empfand es nicht. Er empfand nichts als Ekel vor diesem süßen Gesicht.
    »Ich wollte dir einfach nur sagen, dass du Alasdair in Ruhe lassen kannst«, teilte die Kleine geziert mit. »Er weiß schon, was ich will und was nicht. Er versteht mich. Und du kannst aufhören, im Moor mit mir zu reden. Ich habe nicht immer zugehört, weil es mich gelangweilt hat. Aber ich wollte dir doch sagen, dass du damit aufhören kannst. Du musst mir nicht erzählen, dass Mutter mich liebt – natürlich tut sie das, das weiß ich, auch wenn es mich nicht sehr interessiert. Und du musst mir nicht sagen, dass du hoffst, dass es mir gutgeht. Erstens geht es mir gut, und zweitens interessiert mich nicht, was du hoffst und was nicht. Ja, dieses dämliche Gequassel könntest du dir wirklich mal sparen, das wäre schön. Aber vor allem wollte ich dir eins mal direkt sagen, so von Angesicht zu Angesicht.« Sie näherte sich Leslie wieder ein Stück. »Und zwar, dass du mir einen echten Gefallen tun könntest. Einen richtig großen, tollen Gefallen. Damit würdest du mich wirklich glücklich machen.«
    Benny sah Leslies Gesicht nicht, aber er sah die Hoffnung in ihrer Körperhaltung, und er hörte sie in ihrer Stimme. Am liebsten hätte er sie geschüttelt. Weshalb hielt sie denn noch die andere Wange hin? Weshalb ließ sie es zu, dass diese beiden lächerlichen, erbärmlichen Gestalten so hemmungslos auf sie einprügelten? Mit einem Mal ekelte er sich vor ihrer Verletzlichkeit und Schwäche fast so sehr wie vor den beiden Geschwistern.
    »Und was?«, fragte Leslie, sie war kaum zu hören. »Was kann ich für dich tun?« Natürlich wusste sie ebenso gut wie Benny, dass jetzt der nächste Schlag kommen würde. Sie hielt ganz still.
    Die Kleine seufzte. Sie trat ganz nah zu Leslie, nahm zärtlich ihr Gesicht in beide Hände und näherte die Lippen ihrem Ohr. Leslie ließ es geschehen. Grau und Benny spannten sich beide an, als erwarteten sie, dass die Kleine gleich zubeißen würde.
    »Ich würde mich ganz wahnsinnig freuen«, flüsterte das Mädchen in Leslies Ohr, und obwohl sie flüsterte, war ihre Stimme deutlich zu hören, »wenn du verblödeter Wechselbalg endlich damit aufhören würdest, mich Schwester zu nennen. Sieh mal, es tut mir wirklich leid, aber du wirst verstehen, dass ich das als beleidigend empfinde.« Über Leslies Schulter lächelte sie Benny zu. Fast erwartete er, ihre Augen würden sich wieder schwarz färben, aber sie blieben klar und blau. »Würdest du das für mich tun? Bitte? «
    Leslie würgte. Unwillkürlich ballte Benny die Fäuste und trat einen Schritt näher.
    »Neutralität, Mister Reutter«, mahnte der Kerrigan scharf. Das Mädchen grinste

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