Die Fehler-Raeuber
die Tür. Mörfi hüpfte vor Freude, schlüpfte durch die offene Tür hindurch und landete in einem Büro; offenbar das der Frau. Der Fußboden dort glich dem einer Schule, war nur viel sauberer. In der Mitte stand ein Schreibtisch, der bis auf ein Telefon leer war.
Ob hier überhaupt jemand arbeitete? Vor einem blank geputzten Fenster befand sich eine künstliche Topfpflanze, an der Wand hinter dem Schreibtisch ein offener Schrank, in dem unzählige Aktenordner einsortiert waren. Die Aufschriften der Ordner waren mit Computer geschrieben; gerade, jeder Buchstabe millimetergenau in der gleichen Größe. Zwanghafter Zengel-Ort, fand Mörfi. Es vermutete, der richtigen Fährte zu folgen, denn solch ein ungemütliches, picobello sauberes Büro war ein Ort, an dem Zengel sich wohlfühlten. So karg eingerichtet ließ dieser Raum keinen Platz für Missgeschicke und feine Fehler. Wenn der Schatten-Zengel tatsächlich hier gewesen war, wo mochte er den königlichen Fehlerwerfer versteckt haben? Der Mann lud die Kisten in einer Ecke des Raumes ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn und verließ das Büro.
Die Frau stakste zu einer der Kisten, öffnete die erste mit einer spitzen Schere, zog ein Papier hervor und juchzte einmal kurz auf. Dieser Gefühlsausbruch war ihr offenbar peinlich. Sie räusperte sich, legte das Papier in die Kiste zurück, zupfte noch mal an ihrem roten Halstuch und verließ das Büro.
Mörfi war neugierig geworden. Was war das nur für Papier in den Kisten?
Veränderungen
Unter normalen Umständen hätte Johanna sich geärgert. Jetzt aber war sie über die schlechte Nachricht erleichtert. An der Turnhalle hing ein großer Zettel mit der Aufschrift:
Turnfest fällt aus!
Die Schulleitung
Das war alles. Keine Erklärung, kein Hinweis, was stattdessen passieren sollte. Einfach nichts.
„Das lasse ich mir nicht gefallen!“, schimpfte Söngul. „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan vor Aufregung, und dann so was.“ Sie war entschlossen, vom Schuldirektor augenblicklich eine Erklärung zu fordern. Johanna, die zur Unterstützung mitging, kam kaum hinterher, so zielstrebig eilte Söngul zu seinem Büro. Söngul schien eine Stinkwut im Bauch zu haben.
Mörfi hatte derweil große Mühe, sich in dem fremden Büro fortzubewegen. „Völlig fehlerfrei!“, stöhnte das Fehlerteufelchen. Nicht ein einziger Fehler, über den es fehlern konnte. Schon um in eine der Kisten mit den Papieren blicken zu können, musste Mörfi mühsam daran hochklettern. Die Kanten der Kisten waren glatt. Nichts, woran es sich hätte festhalten können.
So schob es die Fünfer-Steckdosenleiste, die unter dem Schreibtisch lag, vor die Kisten und stellte sie hochkant dagegen. Jetzt konnte Mörfi die Steckdosenleiste als Leiter benutzen. Oben angekommen, stellte es sich auf Zehenspitzen und reichte an die Oberkante der Kiste heran, um sich hochzuhangeln. Endlich hatte Mörfi es geschafft. Es konnte in die Kiste hineinsehen und die Papiere begutachten, welche die Frau so erfreut hatten. Es schienen Formulare zu sein. Langsam las Mörfi die Überschrift, die auf jedes Formular gedruckt war.
Zeugnis stand dort. Und gleich die erste Rubrik, dick und fett gedruckt, lautete:
Sauberkeit, Ordnung und Betragen
Mörfi zupfte seine zu Hörnchen gedrehten Haare und runzelte die Stirn. Konnten diese seltsamen Zettel etwas mit den verlorenen Fehlerwerfern zu tun haben?
„Verzwickt, verzwackt, in Rätseln verpackt“, murmelte Mörfi. Sauberkeit, Ordnung und Betragen. Das passte zu den pingeligen Zengeln. Auch dieser fehlerfreie Raum, in dem sich ein echtes Fehlerteufelchen kaum anständig fortbewegen konnte, gab ein gutes Versteck ab für Zengel. Mörfi hatte das Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein. Andererseits: Es konnte nichts dergleichen entdecken. Wenn der Schatten-Zengel hier gewesen war, wo war dann das Fehlerwerfer-Versteck? Mörfi hätte sich gern mit Johanna beraten. Die kannte sich bestimmt mit Zeugnis-Zetteln aus. Bekam sie in der Schule nicht selbst immer welche? Aber wie sollte Mörfi zu Johanna kommen?
Mörfi spürte, dass Johanna heute irgendwie keine Fehler machen würde. Überhaupt schienen die Menschen an diesem Tag alles fehlerfrei zu erledigen. Das Fehlen der Fehlerwerfer machte sich immer deutlicher bemerkbar. Menschen gelang es nur schwer, selbstständig fantastische Fehler zu machen. In der Regel benötigten sie dann die Hilfe der Fehlerblasen.
Kurz vor der Tür des Direktors unternahm Johanna
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