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Die Fehler-Raeuber

Die Fehler-Raeuber

Titel: Die Fehler-Raeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlueter
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einen letzten Versuch, Söngul zurückzuhalten. Der Direktor konnte vielleicht gar nichts für die Entscheidung. Ein Turnfest ohne Begründung abzusagen, passte jedenfalls nicht zu ihm.
    Trotzdem bollerte Söngul gegen die Tür.
    Mörfi hob den Kopf. Es spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch. Endlich ein Fehler! Wer hatte einen Fehler gemacht? Egal: Fehler war Fehler – die Chance, endlich in Johannas Nähe zu kommen!
    „Herein!“, rief der Direktor.
    Söngul öffnete vorsichtig die Tür. Gerade eben war sie noch forsch und wild entschlossen gewesen, doch jetzt, als sie die Klinke in der Hand hielt, wurde ihr ein wenig mulmig zumute. Söngul lugte durch den Spalt der leicht geöffneten Tür.
    „Schwupp, da bin ich wieder!“
    Johanna fuhr erschrocken zusammen. Mit einem Male saß Mörfi auf Sönguls Schulter.
    „Mann, hab ich mich erschreckt!“, schimpfte Johanna. Sie hob Mörfi vorsichtig zu sich herüber.
    „Ich sagte: herein!“, wiederholte der Direktor.

Besuch beim Direktor
    Schuldirektor Dr. Hubertus Bärli machte seinem seltsamen Namen alle Ehre. Er war ein kleiner kugeliger Mann, der mit seinem langen wallenden braunen Haar und dem vollen, ebenfalls braunen Rauschebart tatsächlich an einen kleinen Grizzlybären erinnerte. Mit seinem Aussehen und seiner gutmütigen Art hätte er als Werbefigur einer Cornflakes-Packung dienen können, fand Johanna. Sie verstand etwas davon, denn ihre Mutter, wie auch deren Freund Alexander, arbeiteten in einer Werbeagentur. Und ihr Vater zeichnete Zeichentrickfiguren für Werbefilme. Die Endung imNamen wies auf die Herkunft des Direktors hin. Hubertus Bärli war Schweizer.
    Mörfi war entzückt über die alte abgewetzte Weste, die Dr. Bärli über einem schmuddeligen Hemd voller Flecken trug. Denn die Weste war falsch geknöpft! Oben war ein Knopfloch übrig, unten ein Knopf zu viel. Genauso trug Mörfi seinen Mantel. Etwas richtig zu knöpfen, fand Mörfi so langweilig, dass es ihm niemals in den Sinn gekommen wäre. Auch die vielen Flecken begeisterten Mörfi. Bei Dr. Bärli konnte man auf dem Hemd nachlesen, was er in den vergangenen drei Tagen zu Mittag gegessen hatte. Wenn das nicht interessant war! Mörfi erkannte Tomatensauce, Spinat und Erdbeermarmelade. Damit war erwiesen: Dr. Bärli sah nicht nur toll aus, er besaß auch guten Geschmack!
    Dr. Bärli saß müde in seinem Sessel. Er hatte sich nicht einmal zur Begrüßung erhoben, was sehr ungewöhnlich war. Es gab Tage, da stand Dr. Bärli morgens am Schultor und begrüßte jeden Schüler einzeln per Handschlag.
    353 Schüler! Mit dieser Aktion war er sogar schon einmal als ,verrücktester Schuldirektor Deutschlands‘ in die Zeitung gekommen.
    Gerade als Söngul anfing, ihre Beschwerde vorzubringen, fiel ihr der Direktor schon ins Wort: „Ich habe heute leider wirklich keine Zeit, Söngul und Johanna.“ Es war erstaunlich, aber Dr. Bärli kannte alle 353 Schüler mit Namen. Noch nie hatte er einen Schüler verwechselt oder dessen Vornamen nicht gewusst. „Ich bekomme unangenehmen Besuch.“
    Allein durch die Erwähnung dieses Besuchs schien Dr. Bärli zehn Jahre zu altern und seine sonst so wachen Augen schienen vor Müdigkeit zuzuklappen. Die Mundwinkel hingen traurig herab. Seine Hand winkte ab, als wollte er sich widerstandslos ergeben.
    „Besuch?“, fragte Johanna. So niedergeschlagen hatte sie ihren Schuldirektor noch nie gesehen.
    In diesem Augenblick sprang die Tür auf. Die Sekretärin kam hereingerauscht. „Ihr Besuch, Herr Direktor. Frau Minister Wunderlich!“
    ‚Ministerin?‘ Johanna und Söngul zuckten zusammen.
    Hinter der Sekretärin betrat eine Dame den Raum, die Johanna schon mal in der Zeitung gesehen hatte.
    Mörfi erkannte sie sofort. „Das ist die Frau, der ich in dem fremden Haus begegnet bin!“, flüsterte es Johanna ins Ohr.
    „Wo?“, fragte Johanna verwirrt.
    „Ärger im Anmarsch!“, war Mörfi sich sicher. „Irgendetwas hat die Zengel-Attacke mit den zwielichtigen Zeugnissen zu tun.“
    Johanna zuckte nur mit den Schultern, tippte ihre Freundin Söngul unauffällig an und beide schlichen sich aus dem Büro des Direktors. Bevor sie von draußen die Tür schlossen, schnappte Johanna noch ein paar Sätze auf:
    „Tut mir leid, Herr Dr. Bärli. Aber ich habe Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen“, sagte die Frau. Ihre Worte klangen wie Peitschenhiebe.

Zweifellos verzweifelt
    Das Turnfest fiel aus. Für Ersatzunterricht hatte niemand gesorgt. Der Besuch der

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