Die Fehler-Raeuber
einmal aufzusagen, schaffte es aber nicht. „Und das sind alles …“, begann sie.
„… Fehlerteufel!“, beendete Mörfi den Satz. „Früher gab es viel mehr. Heute möchten Menschen es lieber fad und fehlerfrei: perfekte Körper, perfekte Wohnungen, perfekte Maschinen, perfektes Leben. Uäääh!“
Johanna nickte wieder nur. Es mochte sein, dass Mörfi recht hatte, aber was hatte das alles mit diesem Treffen zu tun?
„Die zickigen Zengel haben unsere feinen Fehlerwerfer fies gediebt“, antwortete Mörfi. „Gemein gemopst und weggehopst!“
Johanna konnte es nicht glauben. „Alle Fehlerwerfer wurden gestohlen?“
„Die Zengel attackieren uns feine Fehlerteufel. Ohne Fehlerwerfer wird nichts mehr richtig fabelhaft fehlerhaft. Alles nur nach Zengel-Geschmack.“
„Keine Fehler mehr?“ Johanna, die sich immer als Falschmacherin fühlte und so oft ermahnt worden war, besser aufzupassen, sollte künftig immer alles richtig machen? Dieser Gedanke war ihr keineswegs unangenehm.
„Eine Welt ohne Fehler ist der allergrößte Fehler!“, behauptete Mörfi dagegen.
Johanna sah ein, dass es ganz nett war, aus seinen Fehlern zu lernen, aber noch besser wäre es doch, erst gar keine Fehler zu machen.
„Hirnloser Humbug!“, schimpfte Mörfi.
„Fader Firlefanz! Eine Welt ohne fabelhafte Fehler, wie soll die wohl aussehen?“
Johanna wollte es sich gerade vorstellen, als einer der Anwesenden einwandte: „Wir haben nicht viel Zeit!“ Es war wohl ein Fehlerhalbteufel, glaubte Johanna zu erkennen, weil er nur ein Haarbüschel zu einem Hörnchen gekräuselt hatte. „Wir müssen zurück! Manche haben weite Wege vor sich!“, drängte er.
Natürlich wollte Johanna sofort wissen, woher all die Fehlerteufel kamen und wohin sie zurück mussten.
Mörfi begann einige der Anwesenden vorzustellen: Den finnischen Nebenteufel Mika Viallisuus, dem statt haariger Hörnchen ein mächtiges Geweih aus dem Kopf wuchs und dessen pelziger Körper dampfte; den Hauptteufel Billy Ivar aus Schweden, der aussah wie aus Kiefernholz geschnitzt, und Hans de Gebreken aus den Niederlanden, den man, wenn er still stand, mit einer unnatürlich großen tomatenroten Tulpe hätte verwechseln können. Er unterhielt sich mit der dicken Halbfehlervollteufelin Olga Wibka aus Russland, aus deren freundlichem Gesicht zwei apfelrote Wangen und eine feurig rote Nase hervorglühten; dem hageren Zwergteufel-Riesen Signore Baglio aus Italien, der mit glänzenden schwarzen Schuhen, weißem Hemd, Krawatte und einem feinen, maßgeschneiderten Anzug mitten im Raum stand, damit er ja nicht eine der schmutzigen Wände berührte; das Fehlerhalbteufelpaar Vivienne Vice und Jean Jacques Défaut aus Frankreich, die ein wenig verlottert aussahen und aus deren zerknautschten Gesichtern gelblicher Rauch aufstieg. Zuerst dachte Johanna an etwas Drachenähnliches, bis sie erkannte, dass jeder der beiden gleich zwei Zigarettenstummel in den Mundwinkeln stecken hatte, mit denen sie die Höhle vollpafften. Beinahe wie Alexander, der Freund ihrer Mutter. Außerdem war da noch ein Großteufel-Winzling aus der Türkei: der sehr junge Hüseyin Atali, dem drei Goldkettchen um den Hals baumelten und der unentwegt laut vor sich hin sang. In einiger Entfernung sah Johanna eine alte verstaubte Marmorstatue, die eine junge Göttin oder so etwas darstellte. Der einzige Gegenstand in diesem Keller, dachte sie, bis Mörfi ihr auch diese Statue vorstellte: Eris Katarreush aus Griechenland.
„Zwei fehlen noch!“, flüsterte Mörfi.
Der erste der Vermissten machte sich auch sogleich bemerkbar. Für Johanna sah es mehr so aus, als ob ein Wollknäuel für Weihnachtssocken von der Decke fiel.
Unwillkürlich ging sie einen Schritt beiseite, als das knallrote fusselige Etwas von oben herabplumpste. Es entknäulte sich und nahm die Gestalt eines zu groß geratenen Waldkaninchens an.
„Halbfehlervollteufel Hubert aus Deutschland!“, sagte Mörfi leise zu Johanna. Hubert schüttelte kurz seine langen Ohren, suchte sich dann einen Platz zwischen den anderen. Noch immer aber begann die Beratung nicht, weil nach wie vor jemand fehlte.
Sir Errol Error tippte ungeduldig mit den Fingern der rechten auf die Handfläche der linken Hand. Er hasste Unpünktlichkeit. Böse Zungen hatten mal festgestellt, darin gliche er einem Zengel.
„Hola! Qué tal?“, rief plötzlich jemand aus der Ecke.
Johanna blickte auf eine
riesige Gestalt, lang wie ein Laternenpfahl und in etwa auch so dünn. Er
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